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Meinung: Die Welt bleibt reformbedürftig

Alle sind schuld: Der große Wurf ist bei der Erneuerung der UN nicht gelungen

Als Kofi Annan seine Pläne für eine grundlegende UN-Reform entwickelte, muss der Generalsekretär eine Art zweites San Francisco vor Augen gehabt haben. 60 Jahre nach Gründung der Weltorganisation sollte das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in New York die UN zwar nicht ganz neu erschaffen, aber fit machen für Zeiten, in denen internationaler Terror, globale Seuchen, Umweltkatastrophen und die immer tiefere Kluft zwischen Arm und Reich die Sicherheit der Welt bedrohen. Das ist mit dem Abschlussdokument des Gipfels, auf das sich die Staaten inzwischen geeinigt haben, nicht gelungen. Zu verschieden waren die Vorstellungen, zu stark die nationalstaatlichen Interessen.

Die Enttäuschung darüber, auch beim Generalsekretär, ist verständlich. Denn Annan hätte mit einem erfolgreichen Gipfel die UN nicht nur aus ihrer Irakkrise herausgeholt, sondern auch sein eigenes angekratztes Image ein Jahr vor Ablauf seiner Amtszeit wieder aufpoliert. Keins von beidem ist geglückt. Doch dass die UN-Staaten in den vergangenen Wochen in New York so erbittert um das Abschlussdokument gerungen und um jede Formulierung gefeilscht haben, zeigt trotz allem: Die Weltorganisation wird ernst genommen. Auch, und das ist eines der positiven Ergebnisse, von den USA.

Natürlich ist und bleibt die Supermacht überzeugter Unilateralist. Und natürlich haben die hunderte von Änderungsvorschlägen für das Abschlussdokument, die der amerikanische UN-Botschafter John Bolton praktisch in letzter Minute eingebracht hat, die Gipfelerklärung massiv geschwächt. Doch hielten sie die UN für bedeutungslos, hätten die Amerikaner sich auch gar nicht um die Erklärung scheren können. Und sie hätten nicht so energisch über die Zusammensetzung des geplanten Menschenrechtsrates gestritten, wenn sie sich von dem Gremium nichts versprechen würden. Überhaupt wäre es zu einfach, Washington allein dafür verantwortlich zu machen, dass dieser Gipfel viele wichtige Probleme der UN nicht lösen wird.

So liegt es beispielsweise nicht an den USA, dass sich die Staaten nicht auf eine gemeinsame Definition von Terrorismus einigen konnten. Auch die dringend notwendige Management-Reform der UN-Verwaltung ist nicht an Washington gescheitert. Im Gegenteil, es waren die Entwicklungsländer, die hier die Vorschläge der Amerikaner und der EU blockierten, die der Arbeit des Generalsekretärs und seines Teams mehr Effizienz garantiert hätten.

Die UN bleiben also reformbedürftig – reformunfähig sind sie deshalb nicht. Eine Organisation, in der 191 Staaten vertreten sind, und die so tief greifende Entscheidungen im Konsens trifft, wird nur nie den ganz großen Wurf schaffen, sondern sich Schritt für Schritt weiterentwickeln. Dafür braucht es allerdings einen langen Atem. Den sollte auch eine neue Bundesregierung mitbringen. Was beispielsweise den geplanten Menschenrechtsrat betrifft, gehört in den kommenden Monaten viel diplomatisches Geschick dazu, dieses Vorhaben auch in der Generalversammlung durchzusetzen. Und selbst wenn in den vergangenen Wochen gerade die Reform des Sicherheitsrates nur noch unter Wahlkampfaspekten betrachtet worden ist – auch sie bleibt nach dem Gipfel und nach dem kommenden Sonntag entscheidend für die künftige Handlungsfähigkeit der Vereinten Nationen.

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