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Der Leser hat das Gefühl, stets dasselbe in immer neuen Geschichten zu lesen.

© dpa

Die Weltsicht des "Spiegels": Mit Helmut Kohl auf dem Titel

Andere Magazine, wie etwa der „Economist“, befriedigen die Neugier: Die Welt ist vielfältig, überraschend, interessant. Die Weltsicht des "Spiegels" dagegen ist düster, grau und gruselig. Ein aktueller Vergleich.

Die Welt ist schlecht. Die Menschen sind scheinheilig, korrupt, reaktionär, egoistisch. Die Unternehmer sind geldgierig, machtgeil, skrupellos. Im Sport wird gedopt, in der Politik intrigiert, in der Wissenschaft die Moral überschritten.

Das ist, nur wenig überspitzt, die Weltsicht beim „Spiegel“. In der aktuellen Titelgeschichte schlachtet ein Redakteur auf acht Seiten genüsslich ein Buch über Helmut Kohl aus, das einige Zitate des ehemaligen Bundeskanzlers ans Licht zerrt, die der lieber unveröffentlicht gelassen hätte. Und dann folgen, etwas gerafft, diverse andere Depri-Artikel: „Pleite-Drohne soll doch fliegen“; „Juncker greift nach den Milliarden des Euro-Rettungsschirms“; „Gabriel lässt neue Rüstungsexporte in den Nahen Osten zu“; „ein RAF-Unterstützer gehört zu den Schlüsselfiguren der Salafisten-Szene“; „Tod bei Hausgeburt – ein Gericht verurteilt eine Hebamme“; „die wahren Profiteure des fairen Handels“; „Ex-Radprofi Jörg Jaksche über den Entwurf eines Anti-Doping-Gesetzes“; „bald könnten Gentests mit darüber entscheiden, wer mit wem Kinder zeugt“.

Spannung soll entstehen durch Grusel, Gewalt, Empörung

Es ist gewissermaßen die in ein Magazin gepresste Tatort-Philosophie: Spannung soll entstehen durch Grusel, Gewalt, Empörung. Das Ganze wirkt wie ein geschlossenes System. Jeder Artikel fügt sich in die oberste Ideologie ein und bestätigt sie. Die Welt ist schlecht, wir decken’s auf – und was wir aufdecken, das belegt, wie schlecht die Welt ist. Man hat das Gefühl, jede Woche dasselbe in einer anderen Geschichte zu lesen (ganz anders übrigens „Spiegel-Online“). Am Ende des Heftes stellt sich daher für den unvoreingenommenen Leser die Frage: Wird das den „Spiegel“-Machern nicht selbst langweilig?

Neben dem aktuellen „Spiegel“ liegt der aktuelle „Economist“. Der „Special Report“ widmet sich auf 14 Seiten der digitalen Revolution. Geschildert wird, wie sich unser aller Leben durch die dritte industrielle Revolution verändern wird - manches zum Guten, manches zum Schlechten. Wie sich durch Big Data Übersetzungsprogramme perfektionieren lassen, dass etwa in Amerika fast die Hälfte der traditionellen Arbeitsstellen wegfallen könnte, dass Mediziner auf 3-D-Druckern menschliche Organe erhalten, wie selbst fahrende Autos das Unfallrisiko senken, Abschlüsse auf Elite-Universitäten wegen ihrer Online-Programme auch für arme Menschen erschwinglich werden. Nichts wird beschönigt, nichts dramatisiert. Die Spannung entsteht allein durch die Fülle an Informationen.

Der "Economist" dagegen regt an, ohne aufzuregen

Was steht sonst noch im Heft? In einem Essay wird gefordert, dass Manager mehr klassische Philosophiebücher lesen. In der Wissenschaft geht es um „hypothesis-generation software“. Das Beispiel dazu: Äpfel, Pilze und Schweinefleisch ergeben einen traditionellen Schmortopf. Dass geschmacklich auch Erdbeeren dazu passen, weiß eine Maschine namens „Watson“, die Tausende von Rezepten ausgewertet hat. Aus New York erfährt der Leser, warum Amerikaner den neuen indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi lieben. Außerdem liest man darüber, wie und warum 126 muslimische Geistliche und Gelehrte den Anspruch des „Islamischen Staates“ zurückgewiesen haben, ein Kalifat zu errichten.

Der „Economist“ befriedigt die Neugier. Die Welt ist vielfältig, überraschend, interessant. Für Häme und Spott ist in dieser Weltsicht kein Platz. Das Magazin regt an, ohne aufzuregen. Würde ein Hauch dieses Geistes ab und zu mal durch die Redaktionsräume des „Spiegel“ wehen, hätten alle was davon – die Macher des Magazins und dessen Leser.

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