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Meinung: Diener der Dialektik

Von Werner van Bebber

Die PDSLinkspartei ist ein Wunder. Keine andere Partei gleicht so leicht widerstrebende Kräfte und logische Gegensätze aus. Die Flexibilität führender PDS-Politiker erinnert an einen Scherzartikel, der mal modern war, als es noch eine Bundesrepublik und eine DDR gab. Er hieß „slime“, sah so aus, wie der Name klingt, man konnte ihn an die Wand werfen, er tropfte herunter, ohne dabei seinen inneren Zusammenhalt zu verlieren. Das Staunenswerte an der PDS ist die Fähigkeit ihres Führungspersonals, den visionengetriebenen Oppositionspolitiker ebenso glaubhaft darzustellen wie den verlässlich-desillusionierten Koalitionspartner. Keine andere Partei kann es sich leisten, ihre Führung montags abends zur Demonstration gegen Hartz IV zu schicken und dienstags morgens zum Regieren in den Senat. Die Berliner PDS macht das.

Erfunden hat wohl Helmut Holter, der Arbeitsminister von Mecklenburg-Vorpommern, das Prinzip des oppositionellen Mitregierens. Seine Kollegin Heidi Knake-Werner praktizierte es in Berlin, als sie mit kaum verhohlener Neigung zur Obstruktion ein paar Prinzipien der Hartz-Reform außer Kraft setzte. Die Protagonisten der PDS sind gut trainiert, wenn sie im Wahlkampf gefragt werden, wie ernst sie den neuen programmatischen Überbau der Linkspartei nehmen: Nicht so ernst, um Forderungen an die PDS-Regierungsmitglieder und die Koalitionspartner abzuleiten; aber ernst genug, um im Wahlkampf die SPD als Agenda-Partei und Sozialstaatsschänder anzugreifen. Links ist – das zeigt sich daran –, wer sich nicht auf eine bezahlbare Politik festlegen lässt. Und die SPD? Die lässt sich das in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern bieten. Die Sozialdemokraten wissen, dass es die Sozialisten am Kabinettstisch nicht so meinen. Sie haben die Erfahrung gemacht, dass PDS-Politiker durch Regierungspraxis zahm und umgänglich werden und dass sie montags abends fordern, Hartz IV müsse weg, aber dienstags morgens Sparbeschlüsse der Landesregierung mittragen.

Die SPD weiß also, was sie an den Sozialisten hat – einen Partner, der am Nasenring zu führen ist. Die PDS profitiert in jeder Situation, denn auch prinzipielles Opponieren bringt Sitze in den Parlamenten und damit Geld. Das Publikum? Ein Teil ekelt sich, ein anderer will bloß destruktiven Protest. Erstaunlich ist nur, dass sich sogar die Opposition an die PDS-Praxis des oppositionellen Mitregierens gewöhnt hat.

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