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Meinung: Diepgens Scheitern: Wer nicht lernt wird belehrt

Nicht nur das muss man Eberhard Diepgen lassen: In Stunden der persönlichen Niederlage zeigt er Größe. So, wie er am 16.

Nicht nur das muss man Eberhard Diepgen lassen: In Stunden der persönlichen Niederlage zeigt er Größe. So, wie er am 16. Juni des vergangenen Jahres seinen Sturz als Regierender Bürgermeister im Respekt vor dem Votum des Abgeordnetenhauses trug, reagierte er gestern auf sein Scheitern bei der Landesvertreterversammlung der CDU. Demokratisch legitim sei das gewesen, bestätigte er den Wahlfrauen und Männern, die zuvor seine Kandidatur für Platz eins der Landesliste überraschend deutlich abgelehnt hatten. Haltung, Kühle, ja, auch Würde, wenn es knüppeldick kommt - das hat den langjährigen Regierungschef ausgezeichnet. Nicht nur das. Diepgen hat für die Stadt viel geleistet, und sein persönlicher Ehrgeiz erschöpfte sich in dieser Aufgabe. Das war kein Zeichen der Begrenztheit, sondern kluger Einsicht in die eigenen Fähigkeiten. Diepgens Priorität war Berlin, und die Stadt ist damit nicht schlecht gefahren. Zumindest findet sich unter den Kritikern seiner Politik keiner, der denn sagen würde, was er grundlegend anders gemacht hätte.

Aber das alles sind Erkenntnisse von gestern, und Eberhard Diepgen hätte gut daran getan, wenn sie ihm schon früher gekommen wären. Er hätte sich selbst eine Blamage erspart, die gleichbedeutend mit dem Ende seiner politischen Laufbahn ist. Und er hätte seiner Partei nicht eine neuerliche Zerreißprobe zugemutet. Denn nichts anderes war es, was sich am Sonnabend im Sport- und Kongresszentrum Hohenschönhausen abspielte. Das war nicht nur ein neuer Akt in dem alten Drama vom Königsmord, das immer dann gespielt wird, wenn einer, der sein politisches Lebenswerk rechtschaffen getan hat, nicht erkennt, wie ihm die Stunde schlägt. Zwischen dem Sturz als Regierender Bürgermeister am 16. Juni 2001 und dem Absturz als Spitzenkandidat am 16. Februar 2002 liegen nicht nur acht vertane Monate, dazwischen liegt auch eine Zeitenwende. Damals, im Sommer, hatte ihn eine tätige Allianz aus Grünen, SPD und PDS gestürzt. Gestern aber brachte ihn die eigene Partei zu Fall, und sie tat es konsequent, aber nicht unfair. Mehr Rückzugsmöglichkeiten ohne Gesichtsverlust, als Diepgen gestern in Hohenschönhausen angeboten wurden, konnte er nicht erwarten. Ob Günter Nooke der Mann der Zukunft ist, bleibt offen. Der Mann der Stunde war er allemal.

Es waren nicht, wie Diepgen es nannte, die "Klugscheißer" mit den Zeitungsanzeigen alleine, die die Ära Diepgen im Bundestag verhinderten. Was die Initiative "Berlin braucht Bürger" in ihren Zeitungsanzeigen gefordert hatte, kann man eigentlich auch nicht als "Sauerei" bezeichnen, wie Frank Steffel das meinte tun zu müssen. Es war das Aufbegehren einer Basis, die nicht nur Parteibasis ist, gegen eine politische Führung, die dilettantisch agiert und sich, pausenlos miteinander und gegeneinander zankend, der Erneuerung verweigert. Dahinter steckt der Zorn über die ewigen Kungeleien des alten West-Berliner politischen Millieus, das nicht begreift, das seine Zeit endgültig vorbei ist. In Diepgens Wort von der Klugscheißerei und Steffels Ausdruck Sauerei spiegelt sich eben eines der Hindernisse, über die die Berliner CDU dauernd stolpert und über die sie einfach nicht hinwegkommt. Es sind Inhalts-, aber auch Stilfragen - und dabei kann auch der akademisch ausgebildete Teil der Berliner Politik den Stich ins Proletenhafte nicht ganz unterdrücken. Das gilt parteiübergreifend.

Nach dem Rücktritt Diepgens hat die Partei nun keinen Vorsitzenden mehr. Ob Volker Hassemer es werden wird? Vielleicht ist er wirklich zu wenig robust für diese Partei. Frank Steffel jedenfalls darf es nicht werden. Er ist ein Teil des Problems, nicht der Lösung. Die Berliner CDU muss ganz von vorne anfangen. Das ist hart, aber es ist auch gut. Denn dann wird die Stadt vielleicht bald eine unverbrauchte, von der eigenen Vergangenheit unbelastete Partei haben. Eine.

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