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Meinung: „Diese Dame, diese formidable“

Es gibt im politischen Leben Beziehungen, die sich nur mit dem Wort „schwierig“ beschreiben lassen. „Schwierig“ heißt: Nicht zerrüttet, aber auch nicht auf jenem Normalniveau lauernder Distanz, die Politiker gerne mit einem gönnerischen „mein Freund H.

Von Robert Birnbaum

Es gibt im politischen Leben Beziehungen, die sich nur mit dem Wort „schwierig“ beschreiben lassen. „Schwierig“ heißt: Nicht zerrüttet, aber auch nicht auf jenem Normalniveau lauernder Distanz, die Politiker gerne mit einem gönnerischen „mein Freund H.“ kaschieren. Dass Angela Merkel je von „meinem Freund Helmut“ sprechen würde – schon als Gedanke absurd, um ein Lieblingswort des Helmut Kohl zu verwenden.

Genauere Kenntnisse darüber, wie umgekehrt der Altkanzler die Amtsinhaberin zu titulieren pflegt, verdanken wir jetzt den Kollegen vom „Spiegel“. Die haben sich ein bisschen umgehört bei jenen Kohl-Getreuen in der Union, die dem Alten ihr Leid klagen, wenn sie mit ihrer Vorfrau mal wieder ganz besonders unzufrieden sind. Ein Zustand, der sich nach einem halben Jahr großer Koalition immer häufiger einstellt. Auf der konservativen Hinterbank löst es jedes Mal akutes Bauchgrimmen aus, wenn in der Heimatzeitung von einer fortschreitenden „Sozialdemokratisierung“ der Regierungspolitik die Rede ist. Das Unwohlsein wird nur befördert von dem Verdacht, dass Merkel einem Schwenk in Richtung Mitte-links nicht nur keinen Widerstand entgegensetzt, sondern ihn sogar befördert. Hauptbeleg dafür sind Dinge wie Elterngeld und Familiensplitting, die die Arbeit der Regierung und am künftigen Parteiprogramm prägen. Also das genaue Gegenteil der guten alten CDU.

Laut aufzubegehren, trauen sich die alten Kämpen derzeit nicht. Da tut es gut, wenigstens ab und an sich Trost zu holen bei einem, in dessen Weltbild man nicht als ideologischer Dinosaurier bloß noch aufs Aussterben zu warten hat. Das klingt dann, siehe „Spiegel“, zum Beispiel so: „Die deutsche Gesellschaft besteht nicht aus Patchworkfamilien.“ Es gibt sie noch, die guten alten Dinge. Und was tut es der gepeinigten Unionistenseele gut, mal wieder zu hören, dass etwas „überflüssig wie ein Kropf“ sei, das Antidiskriminierungsgesetz zum Beispiel. Oder auch, dass die Merkel’sche Außenpolitik so dolle ja nun auch nicht sei: „Dann sagen Sie mal, da kann ich ja noch richtig etwas lernen.“

Dr. Helmut Kohl ist bei solchen Unterhaltungen übrigens anzusprechen als „Herr Bundeskanzler“. Er selbst hält weit weniger auf Etikette: „Die Pfarrerstochter“ heißt es da oder auch „diese Dame, diese formidable“. Ein Hauch von Herrenabend klingt darin mit. Von Herren, die wissen: Draußen, vor der Tür, hat derzeit die Dame die Hosen an.

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