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Meinung: Drei Länder, viele Fallen

Von Christoph von Marschall

Die USA sind eine Weltmacht und können doch andere Staaten nicht beliebig nach ihrer Pfeife tanzen lassen. In Wahrheit zwingt sie der globale Anspruch, überall Rücksicht zu nehmen. Präsident George W. Bush erfährt es auf seiner Reise nach Indien, Pakistan und China. Der „Economist“ empfahl ihm, E. M. Forsters Roman „A Passage to India“ auf dem 13-Stunden-Flug nach Delhi zu lesen. Er handelt davon, wie kulturelle Missverständnisse zwischen Einheimischen und Angelsachsen, überzogene Erwartungen sowie Fehlwahrnehmungen der Signale des Partners in eine Katastrophe münden. Die Gefahr liegt auch über Bushs Reise.

Indien wird von einem Teil der US-Medien gerade neu entdeckt: als größte Demokratie der Welt; als Land mit der zweitgrößten muslimischen Einwohnerzahl nach Indonesien und Brücke zum Islam; als Abnehmer ziviler US-Atomtechnik; und als Gegengewicht zu China und potenzieller Verbündeter. Die USA haben Indien lange vernachlässigt. Vor Bill Clintons Visite 2000 gab es 22 Jahre lang keinen präsidialen Besuch. Bush kommt auch erst im sechsten Jahr seiner Amtszeit. Als Gastgeschenk hatte er 2005 zivile nukleare Kooperation versprochen. Das bereut er jetzt. Auf dem Höhepunkt des Atomstreits mit Iran sähe das so aus, als würden Atommächte, die unter Umgehung des Sperrvertrags zur Bombe kamen, nachträglich belohnt. Wie kommt Bush aus dieser Zwickmühle heraus? Er bräuchte wenigstens Indiens Verzicht auf Atomtests und den Export seiner Waffentechnik, um das Geschäft zu rechtfertigen.

Gleichzeitig muss er Indiens Rivalität mit Pakistan im Auge behalten. Wegen der US-Operationen in Afghanistan ist Pakistan derzeit unverzichtbar für Bush. Das spricht gegen eine zu starke Aufwertung Indiens. Die „Gegengewicht zu China“-Rhetorik darf sich Bush nicht erlauben. Er braucht Peking als Partner im UN-Sicherheitsrat, schon wegen Iran. Auch die Rekorddefizite im US-China-Handel und Pekings wachsender Einfluss auf den Dollarkurs könnten bei einem Streit seiner Kontrolle entgleiten.

Bushs „Passage to India“ wird zu einem Test, ob er die Lektion aus Irak verinnerlicht hat. Abgeordnete können sich die periodischen Rufe nach Protektionismus, nach Härte gegen China leisten. Nicht aber der Präsident. Amerika braucht Partner. Wo Bush das vergisst, sind die Folgen schmerzlich. Und teuer.

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