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Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin. Sie war unter anderem Chefredakteurin von "impulse".

© Mike Wolff

Drogenaffäre von Michael Hartmann: Keiner will Hanswurste

Müssen Abgeordnete Vorbilder sein? Ja. Wenn wir nur den Querschnitt der Bevölkerung im Parlament haben wollen, können wir uns den Bundestag schenken.

Im Zusammenhang mit der möglichen Drogenaffäre des SPD-Innenpolitikers Michael Hartmann wird argumentiert, Parlamentarier seien Menschen wie alle anderen auch. Deshalb dürfe man von ihnen nicht mehr erwarten als von normalen Mitmenschen. So reden viele, auch Abgeordnete. Mit einer solchen Haltung aber sollten wir uns nicht gutmütig abfinden. Von Parlamentariern dürfen und müssen wir mehr verlangen als vom Durchschnitt. Wie übrigens auch von anderen Menschen, die sich exponieren und anderen Verhaltensnormen auferlegen: Pfarrern oder Lehrern beispielsweise.

Niemand wird gezwungen, ein politisches Mandat auszuüben. Wer es möchte, hat Anspruch darauf, besonders respektiert, anständig entschädigt und geachtet zu werden. Umgekehrt aber hat das Land einen Anspruch darauf, von im Wortsinn unabhängigen Parlamentariern vertreten zu werden. Sie sollen dem deutschen Volke dienen, so steht es über dem Eingang des Reichstags, und zwar nur ihm. Nicht einer Lobby, einer Ideologie, oder den eigenen Bedürfnissen, Süchten und Launen. Wer schnupfen, unmäßig trinken, oder sehr sehr gut verdienen will, muss sich einen anderen Job suchen. Abgeordnete haben keine Scheu, Beschlüsse zu fassen, die das Leben von Millionen Menschen beeinflussen. Beherzt greifen sie durch Renten- oder Steuerentscheidungen in deren Lebensplanung, ihren Wohlstand, ihre Freiheit ein. Sie entscheiden über Krieg und Frieden. Sie genießen Immunität, damit sie frei und ohne Angst entscheiden können.

Es wäre weltfremd, Abgeordneten Fehler verbieten zu wollen. Und doch müssen sie den besonderen Ansprüchen genügen, die an ihren Auftrag geknüpft sind. Sonst verlieren sie ihre Glaubwürdigkeit. Ein Volk darf erwarten, dass keine gewöhnlichen Hanswurste über sein Geschick abstimmen, sondern Parlamentarier, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind. Sie müssen nicht gebildeter sein als der Durchschnitt, nicht reicher, nicht klüger. Doch sie müssen sich selbst vorbildlich an die Regeln halten, die sie aufstellen. Wenn wir nur den Querschnitt der Bevölkerung im Bundestag sehen wollten, könnten wir ihn uns schenken. Dann könnten Meinungsforscher die politische Agenda bestimmen und entsprechend der Mehrheitsmeinung in die Praxis umsetzen.

Wer nur Spiegelbild der Bevölkerung, aber nicht mehr Vorbild für sie sein will, verdient kein Mandat.

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