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Meinung: Druckverband

Orientierungslosigkeit, wohin man schaut. Peter Struck hält es mittlerweile für fast sicher, dass die Bundeswehr gar nicht zum Einsatz kommt - außer vielleicht zur Unterstützung humanitärer Hilfe.

Orientierungslosigkeit, wohin man schaut. Peter Struck hält es mittlerweile für fast sicher, dass die Bundeswehr gar nicht zum Einsatz kommt - außer vielleicht zur Unterstützung humanitärer Hilfe. Wozu hat der SPD-Fraktionschef dann soviel Druck auf seine Abgeordneten ausgeübt? (Im übrigen irrt er. Es wird bald neue Anfragen nach Militärbeiträgen geben.)

Zum Thema Online Spezial: Terror und die Folgen Schwerpunkt: Wege jenseits der Bomben Fotostrecke: Krieg in Afghanistan Um die Grünen steht es nicht besser. Kurz vor der Entscheidung sickerte durch, die Nato plane einen Afghanistan-Einsatz. Keinen "bösen" Kampfeinsatz, sondern einen "guten", um humanitäre Hilfe abzusichern. Nach den Kosovo-Erfahrungen müsste das alle grünen Schmerzen lindern. Damals waren die Friedenstruppen zum Schutz der Flüchtlinge und das Wiederaufbau-Programm die Wiedergutmachung dafür, dass die rot-grüne Regierung den Bombenkrieg der Nato mitgemacht hatte. Offenbar wiegen im Fall Afghanistan humanitäre Hilfe, Wiederaufbau und die militärische Absicherung einer fairen Regierungsbildung nicht schwer genug, damit die Grünen sich für einen Einsatz der Nato - oder auch der Uno - erklären. Ihre Strippenzieher taten vor der Vertrauensabstimmung alles, um das Bekanntwerden der Pläne zu verhindern oder sie herunterzuspielen.

Aber auch die Opposition bietet keine Orientierung. Dass Union und FDP den deutschen Militärbeitrag für richtig halten, aber dagegen stimmen, weil die Vertrauensfrage daran hängt: geschenkt. Aber auch sie - und hier stimmt die PDS ein - beklagen laut, was alles falsch laufe in Afghanistan, machen aber keine Vorschläge, was zu tun sei und wie Deutschland sich beteiligen könne.

Es dürfe kein Machtvakuum entstehen, und die Nordallianz sei keine geeignete Regierung, weil sie das größte Volk, die Paschtunen, nicht repräsentiere - soweit ist man sich einig. Und: Die Afghanen sollen selbst ihre Repräsentanten bestimmen. Aber muss das nicht irgendjemand durchsetzen?

Es melden sich ja Organisationen und Staaten freiwillig, man kann schon fast von einem verdeckten Konkurrenzkampf reden. Der UN-Sicherheitsrat hat in der Nacht zum Donnerstag eine Resolution verabschiedet, die die politischen Ziele benennt - aber er hat noch keine Entsendung von Friedenstruppen beschlossen, wie mancherorts behauptet wurde. Auch die Nato macht sich ihre Gedanken. Das seit 1989 bekannte Motiv klingt dabei an: out of area oder out of business. Damals ging es um Existenzsicherung nach Ende des Kalten Krieges. Heute, nach vielen Erfahrungen mit Friedenseinsätzen, vor allem auf dem Balkan, muss man wohl sagen, dass allein die Nato ihre Fähigkeit, Frieden durchzusetzen, bewiesen hat. Die Uno ist mehrfach gescheitert. Mehrere Länder wollen Truppen stellen: die Türken, die Bangladeshis, die Briten, die Franzosen. Allerdings sagt keiner so genau, zu welchem Zweck und in welchem Rahmen.

Uno oder Nato? Eine Regierung durchzusetzen, die ganz Afghanistan repräsentiert, ist eigentlich Aufgabe der Uno; die Nato kann die humanitäre Hilfe logistisch unterstützen. Allerdings: Wann hat in Afghanistan zuletzt jemand freiwillig die Macht abgegeben oder geteilt? Das müsste mit robusten Mitteln durchgesetzt werden - was wieder ein Fall für die Nato wäre. Kooperation ist nötig, nicht Eifersüchtelei.

Man wäre ja froh, wenn es an solchen bedenkenswerten Fragen läge, dass Regierung und Opposition in Deutschland ihre Präferenzen nicht erklärt haben. Und wenn Afghanistan vor dem Hintergrund der Balkan-Erfahrung debattiert würde. Kosovo war ein Kinderspiel dagegen: zwei Millionen Einwohner und ein Territorium von der Größe eines kleineren Bundeslandes. Afghanistan ist anderthalb Mal so groß wie das vereinte Deutschland und hatte mal 26 Millionen Einwohner, von denen Millionen geflüchtet sind und teilweise wieder eingegliedert werden müssen. Politisch ist das Land zerrissen durch konkurrierende Volksstämme und Jahrzehnte des Bürgerkriegs.

In der Wahrnehmung dominieren statt dessen Klischees. Ja, die Nordallianz hat alles Misstrauen verdient; während ihrer letzten Herrschaft über Kabul bis 1996 führte sie sich kaum besser auf als die Taliban danach. Jetzt aber berichten Augenzeugen, dass ihre Truppen nicht systematisch plündern, morden und vergewaltigen. Sie sind wider Erwarten eine willkommene Ordnungsmacht.

Afghanistan ist nicht dazu verdammt, die Vergangenheit zu wiederholen. Die Zukunft lässt sich beeinflussen. Wann ist Deutschland als potentester Staat Europas wieder fähig, das Seine beizutragen?

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