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Meinung: Drum regle, wer sich ewig bindet

Der Bundesgerichtshof schützt die Vertragsfreiheit für Ehepartner

Bei Franz Kafka sitzt ein Mann „vor dem Gesetz“, allein. Dass zwei dort sitzen könnten, zwei Verheiratete sogar, wollte Kafka, der über die Verlobung selbst nie hinauskam, vielleicht nicht in den Sinn. Eheleute treten vor dem Gesetz nicht gegeneinander an, die Ehe ist schließlich ewig. So steht es im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB).

Die gesellschaftliche Realität ist eine andere: Ehen sind längst nicht mehr für immer, sie sind ein rechtlicher Rahmen auf Zeit geworden. Das Symbol dafür: der Ehevertrag. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes, die Gültigkeit von Eheverträgen nicht grundsätzlich in Frage zu stellen, dokumentiert diese Realität. Warum sollte jemand von einem kurzen Lebensabschnitt, in dem Gütertrennung nicht vertraglich geregelt wurde, noch viele Jahre profitieren? Mit einem anderen Partner womöglich?

Der Ehevertrag ist Ausdruck der fortgeschrittenen Autonomisierung der Gesellschaft. Es sind die Notare, die prüfen, wie man sich nicht ewig bindet. Eheverträge regeln, meistens zu Beginn einer Ehe, deren Ende. Das ist pervers, aber in seiner Ambivalenz ausgesprochen zeitgemäß: Man will Freiheit und Tradition, Bindung, aber nicht ohne Selbstbestimmung.

Dass der Staat in dieses private Konstrukt von Ehepartnern nicht eingreifen will, Eheverträge nicht grundsätzlich als sittenwidrig empfindet, ist also auch dieser Zeit angemessen. Für die Ehe, wie heute für so vieles andere, ist man selbst verantwortlich, nicht der Staat. Boris Becker und Ralf Siegel können nach dieser Entscheidung aufatmen: Ihr Ehevertrag gilt, ihre Ex-Ehefrauen haben keine weiteren Ansprüche. Geschützt sind damit aber auch jene, deren ehelicher Zugewinn in einem Unternehmen steckt.

Wenn damit die veralteten Eheregelungen des BGB weiter ausgehebelt werden – und womöglich eine Hürde auf dem Weg zur Ehe – um so besser. Der Ehevertrag, verantwortungsvoll eingesetzt, vermag den gesellschaftlichen Veränderungen durchaus Rechnung zu tragen.

Was aber heißt verantwortungsvoll? Eheverträge seien sittenwidrig, sagt das Gericht, „wenn sie einen der Partner völlig einseitig belasten“. Dass einer schwangeren Frau ein Ehevertrag abgepresst wurde, in dem sie auch auf nachehelichen Unterhalt ganz verzichtet, ist sittenwidrig, das hat das Bundesverfassungsgericht schon 2001 festgestellt. Dass das Gericht dagegen im konkreten Fall nicht auf Ausbeutung des wirtschaftlich Schwächeren entschieden hat, überrascht. Zu ungerecht wirkt das im Vertrag Festgelegte. Gerade bei einem Staat, der sich zunehmend auch einer viel alltäglicheren Sittenwidrigkeit annimmt: der ökonomischen Geringschätzung von Hausarbeit und Kindererziehung während der Ehe.

In Zukunft kann sich das Ehepaar nicht nur beim Notar treffen, sondern auch zu zweit vor dem Gesetz. Dort wird dann entschieden, wie sittenwidrig das spezielle Regelwerk ist, das sie sich gegeben haben. Zu Recht bleibt also die moderne Ehe nur halb autonom.

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