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Meinung: Dünne Luft

Rudolf Scharping befindet sich in der Lage eines Autokäufers, der sich für ein seine finanziellen Verhältnisse weit übersteigendes, neues Modell entschieden hat. Nun möchte er vor seiner Hausbank den wahren Sachverhalt verschleiern, aber trotzdem den erforderlichen höheren Betrag leihen.

Rudolf Scharping befindet sich in der Lage eines Autokäufers, der sich für ein seine finanziellen Verhältnisse weit übersteigendes, neues Modell entschieden hat. Nun möchte er vor seiner Hausbank den wahren Sachverhalt verschleiern, aber trotzdem den erforderlichen höheren Betrag leihen. Der Kreditausschuss blockt jedoch ab: Scharping möge erst einmal nachweisen, dass er das Auto überhaupt finanzieren könne. Die Lage könnte prekärer nicht sein: der Kaufvertrag unterschrieben, vor den Freunden damit angegeben, der Händler drängt, das Geld reicht aber vorne und hinten nicht.

Das Auto, um das es geht, heißt A 400 M. Es ist ein Transportflugzeug, und der Verteidigungsminister hat im letzten Dezember 73 Stück davon bestellt, obwohl er wusste, dass sein Geld nur für 40 Maschinen langt. Auf dem Geld liegt ein Sperrvermerk des Haushaltsausschusses des Bundestages. Der möchte vom Verteidigungsminister seit langem eine Kostenanalyse haben, eine differenzierte Aufschlüsselung der Bestellung. Rüstungsaufträge entwickeln nämlich die unangenehme Eigenschaft, sich zu verselbstständigen. Wenn nicht jedes Detail vertraglich vereinbart ist, entwickeln Flugzeughersteller ein phänomenales Geschick, die Kosten in die Höhe zu treiben. Es war also im ureigenen Interesse des Bundesfinanzministers, dass Scharping zu einer ordentlichen Vorlage gezwungen wurde.

Die Reserven der Haushälter haben aber auch noch einen anderen Grund: Die 8,6 Milliarden Euro, die die deutsche Bestellung bei Airbus Industries kostet, sind einfach nicht da. Und auf solide Finanzierung aller Investitionen zu achten, ist eine der Kernaufgaben des Haushaltsausschusses, die er auch immer parteiübergreifend beachtet. Deswegen ist übrigens auch kaum denkbar, dass sich die Koalitionsmehrheit im Bundestag auf einen Trick einlassen wird, der im Haus Scharping im Moment überlegt wird: Durch ein Parlamentsvotum für die Beschaffung die Einwände des Haushaltsausschusses zu überspielen. Die Haushälter, eine verschworene Gemeinschaft, würden sich eine solche Brüskierung nicht bieten lassen. Der Vorgang wäre zudem rechtlich dubios, ein klarer Verstoß gegen das Haushaltsrecht, der juristische Konsequenzen haben müsste.

Aus Kreisen der Union wird nun ein Nachtragshaushalt vorgeschlagen. Davor drückt sich jede Regierung, gilt doch ein Nachtragshaushalt, der nicht durch unvorhersehbare Ereignisse erzwungen wurde, als Eingeständnis schlechter Planung. CDU und CSU möchten der Regierung aber genau diesen Dilettantismus nachweisen und beharren auf dem Bußgang. Was die Union weiß, aber noch nicht sagt: Ein Nachtragshaushalt würde die Verschuldung - sie liegt jetzt schon bei etwa 2,7 Prozent des Bruttosozialproduktes - an die Drei-Prozent-Grenze treiben, die im Vertrag von Maastricht als eine der Messlatten für die Euro-Tauglichkeit der Mitgliedsländer benannt ist.

Warum hat sich das alles so zugespitzt? Weil den europäischen Partnern anlässlich der Beschaffung des neuen Transportflugzeuges erneut aufgefallen war, dass die Bundeswehr unterfinanziert ist. Sie sorgen sich, dass Berlin nun, wenn die Fertigung der A 400 M erst einmal angelaufen ist, aus Geldmangel das Volumen der deutschen Bestellung reduzieren könnte und damit den Stückpreis für alle anderen Staaten automatisch in die Höhe treiben würde. Die Partner werden nicht locker lassen, bis der Parlamentsvorbehalt bei Scharpings Unterschrift unter dem Kaufvertrag gefallen ist. Wie die Bundesregierung das schafft, ist Paris und London vermutlich jedoch egal. Hauptsache, die Deutschen zahlen ihr fliegendes Auto A 400 M.

Gerd Appenzeller

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