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Duma: Putin kann man spüren

Viel Autoritarismus, wenig Demokratie, aber Stabilität. Das alles bringt Russlands Wahl. Wenn es denn eine gewesen wäre.

Russland hat gewählt. Nur: Es gab keine Wahl. Das belegen die Wahlkampagne wie das Ergebnis, denn dass neben Putins „Einiges Russland“ drei weitere Parteien in die Duma einrücken, ist bloß ein Feigenblatt von äußerster Dürftigkeit – für eine Abstimmung, die von dem hochgetunten Machtapparat ohne Skrupel zum Plebiszit für den Staatspräsidenten gemacht wurde. Es bestätigt Putin in der Rolle, die er schon hat. Vor allem aber verfestigt es die Mechanismen der von ihm durchgesetzten politischen Verfassung des Landes: einer autoritären Demokratie, mit, allerdings, viel Autoritarismus und wenig Demokratie.

Von der Kritik an dieser Entwicklung ist nichts abzustreichen. Der Westen muss weiter den beklagenswerten Zustand von Menschenrechten und Manipulation der Öffentlichkeit ansprechen. Doch die Wahl vom Sonntag verpflichtet auch zu der Überlegung, wie wir mit diesem riesigen Land umgehen wollen, das mit seinem Gewicht und seinem Anspruch zunehmend wieder in die Weltpolitik drängt. Das umso mehr, als uns unsere Einbindung in die globalisierte Welt, unser Energiebedarf und unsere Exportbilanz dazu zwingen. Und auch, weil Russlands Auftreten vor einer alles andere als gemütlichen Kulisse erfolgt. Hinter ihm erhebt sich China, dazu die südasiatischen Staaten: alles Länder, die vor Ehrgeiz brennen, auf der Weltbühne mitzuspielen, die fraglos auch stärker werden, nur nicht gerade im Fach Demokratie.

Mit der ihm eigenen kaltblütigen Abwehr gegenüber westlichem Ein- und Zuspruch hat Putins Russland zu erkennen gegeben – letztes Stichwort: Aussetzung des Vertrags über konventionelle Abrüstung –, dass es eine nicht geheure Größe in der Politik Europas und der Welt ist und sein will.

Dennoch sollten wir auch nicht übersehen, dass dieser politische Autoritarismus, der so fatal die sowjetische Vergangenheit in Erinnerung ruft, auch eine Form politischer Stabilisierung und einer gewissen Konsolidierung der Verhältnisse im Land darstellt. Die Wahl, die keine war, drückt ein gestiegenes Selbstbewusstsein aus. Russland ist wieder wer: Das bekommt die Welt zu spüren. Das trägt aber auch die 60-Prozent-Zustimmung vom Sonntag. Und muss man sich wundern, dass das gebeutelte Land, die degradierte Großmacht nach dieser Botschaft greift? Den Rest kann man – ohne sich auf das unsichere Pflaster von Spekulationen über Nationalcharaktere zu begeben – der Geschichte des Landes zuschreiben, in der es immer viel Autoritarismus und wenig Demokratie gab, vom Zarenreich über die Sowjetära bis zur Gegenwart. Und einem gestiegenen Lebensstandard sowie der Hoffnung, dass es damit unter Putin weitergeht.

Angesichts dessen ist es auch nur ein kleiner Schönheitsfehler, dass niemand weiß, was Putin mit seinem Sieg anfangen wird. Vorbereitung einer nach kurzer Schamfrist möglichen erneuten Präsidentschaft? Ministerpräsident? Eine Rolle an der Spitze einer Partei, die zu einer Bewegung mutiert, die dem Staat befiehlt und die Gesellschaft durchdringt? Gleichviel: Schon nach dieser Wahl gilt, dass, wer immer Präsident oder Regierungschef wird, das unter Putin sein wird.

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