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Umstrittenes Thema: Präimplantationsdiagnostik (PID).

© dpa

Editorial: Beschränktes Wissen, befristete Gesetze

Ob Elterngeld, PID, Anti-Terrorkampf oder Subventionen: Viele Maßnahmen, die die Regierung beschließt, sollten ein Verfallsdatum haben. Das würde Bürokratieabbau fördern - und die Politik zu stärkerer Selbstkontrolle zwingen.

Von Anna Sauerbrey

Das verflixte vierte Jahr hat begonnen. Bis zur Bundestagswahl im September wird die schwarz-gelbe Koalition voraussichtlich nicht mehr viel zustande bringen. Man ist zerstritten, im Bundesrat lauert Rot-Grün, und der gestrenge Finanzminister sitzt auf den Moneten. Zu besichtigen ist eine Regierung wie Garfield auf Valium.

Schon setzt das Klagen ein. Ineffizient, diese kurzen Legislaturperioden. Ein ganzes demokratisches Jahr für, pardon, die Katz. Man könnte es aber auch einmal umgekehrt sehen: Wenn sie schon keine neuen Gesetze mehr erlässt, könnte die Koalition die Zeit vielleicht damit verbringen, alte wieder abzuschaffen.

Vielversprechend in dieser Hinsicht wäre jene Kommission, die die Anti-Terrorgesetzgebung überprüft. Doch die Sicherheitsgesetze der Post-9/11-Ära, die zu den wenigen Bundesgesetzen gehören, denen ein Verfallsdatum eingebaut wurde, sind gerade bis 2015 verlängert worden. Ohne Druck wird es mit der Abschaffung nichts. Dennoch ruft die Sache eine gute Idee in Erinnerung, die sich die Regierung in den Koalitionsvertrag geschrieben hatte, aber nie so recht zur Geltung brachte: die Befristung von Gesetzen.

Im Koalitionsvertrag heißt es, man wolle mehr Gesetze befristen, um Bürokratie abzubauen. Der Normenkontrollrat, einst von der Großen Koalition zu diesem Zweck eingerichtet, solle gestärkt werden. Doch die Befristung von Gesetzen könnte noch einem anderen Zweck als dem Bürokratieabbau dienen: Sie würde die Politik zwingen, das Erreichen der eigenen Ziele zu überprüfen.

Jedes Gesetz dreht an Schrauben und Zahnrädern in der großen Maschine Wirtschaft und Gesellschaft. Zwar versucht jeder vernünftige Gesetzgeber, abzuschätzen, was ein Gesetz bewirkt. Eine Kostenprüfung und eine Bürokratieprüfung sind Pflicht. Doch was die Maschine am Ende tatsächlich ausspuckt, ist nie sicher vorhersagbar, dazu ist der Apparat zu komplex. Oft bleibt die gewünschte Wirkung schlicht aus – Milliarden verschlingen die Leistungen für Familien jedes Jahr, doch die Geburtenrate steigt nicht an. Häufig sind auch unerwünschte Nebeneffekte.

Die Subventionierung von Biogasanlagen führte dazu, dass Landwirte immer mehr Mais-Monokulturen anpflanzten. Minijobs senkten zwar die Arbeitslosenrate, haben aber auch zur Folge, dass noch mehr Frauen als zuvor in Kleinstbeschäftigungsverhältnissen landen, mit schwerwiegenden Folgen für ihre Renten. Wären Gesetze befristet, wäre die Politik gezwungen, deren Fortbestand zu begründen und eine Kosten-Nutzen-Abwägung vorzunehmen.

In anderen Ländern ist die Befristung von Rechtssetzung bereits üblich. In der Schweiz und in einigen deutschen Bundesländern sind die Erfahrungen damit gut. Eine Erhebung im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2010 zeigte: In Hessen trat knapp ein Viertel der Gesetze, deren Befristung zwischen 2005 und 2009 auslief, tatsächlich wieder außer Kraft. In anderen Ländern war der Anteil allerdings deutlich geringer.

Das Fazit der Bertelsmann-Forscher lautet: Es kommt darauf an, wie man es macht. Sinnvoll scheinen Befristungen bei besonders teuren Gesetzen (Elterngeld), bei Subventionen (zum Beispiel für „energieintensive Unternehmen“), bei Maßnahmen, die einzelne Gruppen besonders begünstigen (Hoteliers, Betreuungsgeld), bei ethisch umstrittenen Gesetzen (PID) oder bei Problemen, von denen man hofft, dass sie vorübergehen werden (Anti-Terrorgesetze).

Natürlich ist die Überprüfung von Gesetzen aufwendig: Debatten müssen erneut geführt werden, Interessengruppen machen mobil, Kommissionen müssen bezahlt werden. Doch Fristen verstärken auch den Handlungsdruck. Bevor also die Regierung bis zur heißen Wahlkampfphase im Spätsommer am Kabinettstisch Sudokos löst, erscheint ein Großreinemachen im Paragrafenchaos als geeignetere Beschäftigungstherapie.

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