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Meinung: Egal statt liberal

Von Clemens Wergin

Europa hat ein Talent, seine besten Einwanderer zu vergraulen. Deutschland etwa findet nichts dabei, zehntausende Euro für die Schul- und Universitätsbildung mancher Migranten auszugeben und sie nach abgeschlossenem Studium abzuschieben. Und jetzt haben die Niederländer Ayaan Hirsi Ali außer Landes getrieben, eine der bestintegrierten Einwanderinnen, die dieser Kontinent je hatte.

Hirsi Ali hat all das, worauf man im Westen gemeinhin so stolz ist. Sie ist politisch engagiert, kritisch, setzt sich für Frauen ein und fordert uns immer wieder auf, gegenüber Einwanderern auf unseren liberalen Freiheitsrechten zu bestehen. Mit ihren klaren, fordernden Worten hat sie sich aber in den Niederlanden zwischen alle Stühle gesetzt und wurde nun zum Opfer einer Medienkampagne. Der formale Vorwurf war, die Islamkritikerin habe bei ihrem Asylantrag 1992 die Unwahrheit über ihre Einreiseroute aus Somalia gesagt. Allein, das ist nichts Neues. Die Politikerin hatte das schon vor Jahren selbst zugegeben. Die Ursachen für die Kampagne liegen denn auch woanders: Hirsi Ali hat die gemütliche niederländische Politik zu sehr durcheinander gewirbelt. Indem sie die Probleme der Integration von Muslimen auf drastische Art thematisierte, zerstörte sie die multikulturelle Utopie der holländischen Linken. Und den Rechten in der Regierung diente ihr Fall dann als Exempel dafür, dass man bei der neuen harten Einwanderungslinie keine Kompromisse macht – nicht mal für eine Verteidigerin demokratischer Werte. Ein Gericht hat sie dann auch noch aus ihrer Wohnung hinausgeschmissen, nachdem Nachbarn geklagt hatten, die Parlamentsabgeordnete stelle ein Sicherheistrisiko dar.

Verständlich, dass Hirsi Ali in solch einem Land nicht bleiben will und in die USA auswandert. Die Botschaft dieser Affäre ist allerdings deprimierend. Offenbar haben viele autochthone Europäer ein Problem damit, wenn eingewanderte Muslime sie an die eigenen liberalen Werte erinnern. Man könnte fast den Eindruck bekommen, die unterdrückte muslimische Frau, die wenigstens den Mund hält, ist den Europäern lieber als eine wie Hirsi Ali, die sich mit unbequemen Wahrheiten zu Wort meldet. Davon jedenfalls können auch deutsch-türkische Frauenrechtlerinnen wie Necla Kelek und Seyran Ates ein Lied singen.

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