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Meinung: Ein bisschen Steuerreform

Der Impuls der Entlastung ist zerredet – sie kommt aber

Von Antje Sirleschtov

Das Vorziehen der Steuerreform von 2005 auf den kommenden Januar war die spektakulärste Entscheidung des Kanzlers im Sommer. Als Lichtstrahl in der wirtschaftlichen Stagnation erschien sie seinerzeit. Sie versprach finanzielle Entlastung des Einzelnen, ökonomische Belebung und war außerdem politische Hoffnung für die Regierung.

Jetzt im Herbst sieht das alles ganz anders aus. Die Steuerreform hat längst ihre Begründung verloren. Und zwar nicht, weil es nicht gut wäre, wenn Bürger und Unternehmer bald weniger Geld an die Finanzämter zahlen müssen. Sondern weil der konjunkturelle Impuls, den man sich davon versprach, wohl nicht eintreten wird. Denn seit Wochen streiten Regierung und Opposition miteinander und untereinander über die Entlastung an sich, über Subventionskürzungen, Mindeststeuern und Selbstbehalte bei den Sozialversicherungen. Und alles zusammen löst bei den Menschen nur einen Impuls aus: Haltet die Ersparnisse zusammen, egal, ob mit oder ohne Steuerreform. Statt Hoffnung und Aufschwung, wie es der Kanzler im Sommer beabsichtigte, verbreitet sich allenthalben Verunsicherung. Wäre es da nicht klüger, die Reform zeitlich so umzusetzen, wie ursprünglich geplant? Zumal die Transaktion das Staatsdefizit auf jeden Fall um Milliarden erhöhen wird.

Fiskalisten kämen auf eine solche Idee. Der Kanzler und auch die Oppositionsführerin Angela Merkel nicht. Gerhard Schröder weiß sehr genau, dass die Menschen spätestens Ende Januar 2004 sämtliche Reformen, die er in diesem Winter durchsetzen und auch die, die er nicht durchsetzen wird, in ihrem Geldbeuteln als Mehrbelastungen spüren werden. Dafür muss er ihnen zumindest teilweise einen Ausgleich schaffen, um für weitere Einschnitte, die zweifellos notwendig sind, politischen Kredit zu erhalten.

Dieses letzte bisschen Vertrauen der Bürger in die Reformfähigkeit Schröders durch eine Blockade der Steuerreform zu zerstören, käme der Union zwar zupass. Doch es wäre ein gar kurzer und sehr risikoreicher Erfolg. Denn die finanziellen Belastungen durch die Reformen kommen ganz sicher, und der Unionschefin droht im schlimmsten Fall der Ruf, eigene Machtinteressen dem Wohlergehen der Leute vorangestellt zu haben. Merkels Hinweis, über die Steuerreform werde entschieden, wenn man nach der Expertenschätzung im November weiß, wie viel Geld 2004 überhaupt zu verteilen ist, deutet deshalb auf einen großen Konsens hin. Ein bisschen Steuerreform wird es deshalb am Ende wohl geben.

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