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Meinung: Ein Brief genügt

Es wird Zeit, dass der Bundespräsident über das Gnadengesuch Christian Klars entscheidet

Wenn nicht jetzt – wann dann? Darf man, mit allem Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten und der ungeheuren Sorgfalt des höchst klandestin ablaufenden präsidialen Prüfverfahrens, mal höflich nachfragen, wann Horst Köhler eigentlich gedenkt, eine Entscheidung in Sachen Christian Klar zu fällen? Wäre es nicht langsam Zeit dafür? So oder so.

Seit vier Jahren nun liegt das Gnadengesuch des einstigen RAF-Terroristen im Bundespräsidialamt, erst bei Johannes Rau, der sich auf seine alten Tage nicht mehr abschließend mit der Angelegenheit befassen wollte, dann bei Horst Köhler, der zunächst über andere, wichtigere Dinge wie beispielsweise die Auflösung des Parlaments zu befinden hatte.

Vier Jahre! Und immer war irgendetwas anderes wichtiger als die Gefühlswelt eines alternden Ex-Terroristen? Nun, da liegt die Antwort doch auf der Hand: Es gibt sozusagen Alibis en masse im Alltag eines Bundespräsidenten, zumal die satte Mehrheit im Volk ohnehin der Auffassung ist, dass gerade ein früherer Staatsfeind sich ganz hinten anzustellen habe mit seinem als unbotmäßig empfundenen Wunsch, vor Ablauf seiner Mindestverbüßungsdauer in Freiheit zu kommen.

Keine Frage – so kann man das sehen, nur: Horst Köhler sieht das anders. Jedenfalls hat er es vor kurzem noch anders gesehen.

Der Bundespräsident ist der Ansicht, dass auch ein Mann wie Christian Klar ein Recht auf eine angemessene Antwort habe, will sich ein Staat wie die Bundesrepublik nicht dem Verdacht bürokratischer Seelenlosigkeit aussetzen. (Nebenbei: Ist nicht das auch das Metathema, das gerade einen Bundesuntersuchungsausschuss im Fall Murat Kurnaz beschäftigt?)

Es sind also die eigenen, durch und durch honorigen Maßstäbe, die der Bundespräsident nun langsam an sich anlegen müsste. Doch leider schleicht sich zunehmend der Verdacht ein, an höchster Stelle werde taktiert, weil die Wucht der Debatte, die im Gedenkjahr des „Deutschen Herbstes“ noch einmal über dieses Land gekommen ist, falsch eingeschätzt worden ist. Köhler ist längst nicht mehr so frei in seiner Entscheidung, wie es ihm von Amts wegen zustünde und wie er es Ende des vergangenen Jahres noch selbst geglaubt hat.

Es geht also darum, ein geeignetes Zeitfenster zu finden. Der Gedenkkalender des Jahres 2007 ist perforiert mit den Untaten der RAF. Und jeder Gedenktag, wie unlängst der 30. Todestag des ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback, belebt die Debatte um Schuld und Sühne aufs Neue. Mittlerweile gewinnen auch wieder formale Einwände die Oberhand, wie jener von Generalbundesanwältin Monika Harms, wonach einem Gnadenakt für Klar eine gewisse Vorbereitungszeit in Freiheit vorausgehen müsse. Kurz gesagt: Klars Chancen stehen äußerst schlecht.

Es wäre an Köhler, ihm dies mitzuteilen. Ein Akt staatlicher Fürsorge, so wie sie der Bundespräsident versteht. Horst Köhler muss dafür nicht nach Bruchsal, ein Schreiben genügt.

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