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Meinung: Ein Dach über den Köpfen

Bildung statt Eigenheimzulage: Die Zukunft muss man sich was kosten lassen

Leidensdruck erzwingt Veränderungen; Visionen, Bilder und Hoffnungen bewegen Menschen dazu, in solche Veränderungen einzuwilligen, auch wenn sie ihnen schwer fallen. Schröders Agenda-Kurs hat ein Jahr nur vom Leidensdruck gelebt. Jetzt versucht der Kanzler die Bilder zu zeichnen, die nicht nur die SPD von den Reformen überzeugen könnten. Er hat eine Fahne entrollt und darauf steht: Unis statt Eigenheimzulage.

Das Motto ist auf jeden Fall interessant. Denn es ist anstößig. Mancher in die Jahre gekommene Anhänger von Rot-Grün wird sogar den Kitzel des Bürgerschrecks fühlen und etwas verkürzt hören, was der Bundeskanzler hoffentlich nicht meint: Uni statt Eigenheim. Das Hausbauen, ideologisch verstanden, galt einmal als typische Tätigkeit des spießigen deutschen Provinzlers. Weil die Vorzüge des Wohneigentums auch in rot-grünen Kreisen längst akzeptiert sind, dürfte dieses Missverständnis inzwischen selten sein.

Doch ist das Eigenheim in Deutschland nicht nur das, was es überall ist, nämlich ein Dach über dem Kopf und ein ordentliches Stück Alterssicherung. Es ist auch ein Unterpfand für das typisch deutsche Bündnis zwischen Staat und Bürger, ein Stück steuerrechtlich organisierter Sozialstaat. Edmund Stoiber, der im letzten Jahr die Abschaffung der Eigenheimzulage nach Kräften blockiert hat, kann richtig schwärmerisch werden, wenn er die höheren gesellschaftspolitischen Gründe dafür erklärt. Das erschwingliche Eigenheim außerhalb der großen Städte ist für ihn Familienförderung und Landschaftspflege zugleich. Daran hängt Gefühl und Bindung, nicht nur die schnöde Ökonomie.

Die Begründung, die Schröder gestern geliefert hat, hätte deshalb ruhig ein bisschen weniger nüchtern ausfallen dürfen. Er hat Recht, dass es keine vernünftige Begründung mehr dafür gibt, die Schaffung von Wohnraum staatlich zu fördern. Wohnraum haben wir genug, Bildung ist dagegen Mangelware. Das Steuergeld, darin werden ihm auch Bürger folgen, die an der Eigenheimzulage hängen, ist bei den Unis viel besser angelegt.

Im Sinne des „Ehrlichmachens“, von dem Franz Müntefering so gern spricht, gehört die Eigenheimzulage aber nicht nur auf den wirtschaftlichen, sondern auch auf den mentalen Prüfstand wie Renten oder Gesundheitskosten. Denn der sozialstaatliche Wohnungsbau lässt die Initiative der Bürger ähnlich erlahmen wie jede andere Rundumversorgung. Deutschland hat, man staune, im europäischen Vergleich nicht besonders viele Eigenheime. Warum? Die staatliche Zulage verteuert das Bauen, denn sie schafft Ansprüche, über die eine niederländische Familien gar nicht erst nachdenkt. Sie setzt ihr Haus schlicht und gerade auf die Erde, während in Deutschland unterkellert und ausgebaut und überdacht wird, was das Zeug hält.

Die Deutschen sollen mehr Häuser bauen, Wohnungen kaufen, Altbauten sanieren. Sie müssen mehr Geld und Personal in die Zukunft investieren, in Kinderbetreuung, Schulen und Universitäten – und deshalb sollte auch der bayerische Ministerpräsident zu einer vernünftigen Diskussion über die Struktur steuerlicher Lenkung bereit sein. Beim Wohnungsbau kann der Markt seine Chancen wahrnehmen. Bei Kindern, Bildung und Hochschulen steht die Gemeinschaft in der Pflicht.

Ja also: Unis statt Eigenheimzulage. Das Motto ist nicht schlecht. Bleibt bloß die kleine praktische Frage: Wer macht mit? Der Bund kann beim einen wie beim anderen nicht ohne die Länder.

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