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Meinung: Ein Freund, ein guter Freund

DGB und CSU üben sich im demonstrativen Zweckbündnis

Man kann ja gar nicht genug Freunde haben. Oder zumindest gute Bekannte, auf die man bei Gelegenheit zurückgreifen kann. Auch in Bayern. Der Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ist am Montag nach München geflogen, um mit der Spitze der Christlich Sozialen Union (CSU) Gedanken auszutauschen. Vor allem über das Soziale. Wenn die Sozialdemokraten immer unsozialer werden, dann orientieren sich die vermeintlich historischen Partner der SPD andernorts. Mit Horst Seehofers Positionen kann DGB-Chef Michael Sommer mindestens so gut leben wie mit den Vorstellungen seiner Parteifreundin Ulla Schmidt. Und Berührungsängste gegenüber den Schwarzen haben die Gewerkschaften in diesem Jahr überwunden; zu bitter sehen sie sich betrogen von der SPD, der sie mit Engagement und Geld zu zwei Wahlsiegen verholfen haben und die mit der Agenda 2010 den Sozialstaat abbauen will. Als „Sozialverbrecher“ musste sich Außenminister Joschka Fischer letzte Woche beim Kongress der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi beschimpfen lassen. Die Beziehung zwischen Rot-Grün und den Gewerkschaften ist vergiftet wie noch nie.

Dagegen ist die Beziehung zwischen CSU und CDU meistens gut. Wenn es nicht gerade um die Gesundheitspolitik geht. Die CDU-Reformkommission unter Leitung von Roman Herzog plädiert für die Einführung so genannter Kopfpauschalen, die CSU lehnt das als unsozial ab. Wie der DGB. Warum sollte man auf der Basis dieser Übereinstimmung nicht an Kooperationen arbeiten? Also zum Beispiel gemeinsam ein Konzept für mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen entwickeln, sozusagen ein DGB/CSU-Papier für einen effizienteren Gesundheitsmarkt. Die neuen Freunde haben das vor, was dem Reformprozess insgesamt vermutlich nicht schadet, aber die Durchsetzungschancen für die Herzog-Vorschläge verschlechtert. Die CSU erhöht mit dem DGB den Druck auf die CDU, und der DGB emanzipiert sich von der SPD.

Doch die Gesundheitspolitik ist für die Gewerkschaften gar nicht vorrangig. Ihnen geht es um die Macht, die eigene Macht. Wenn im Vermittlungsausschuss die Opposition sich die Zustimmung zu den Reformgesetzen der Regierung abkaufen lässt, dann könnte das Folgen haben – für die betrieblichen Bündnisse für Arbeit. CDU/CSU und FDP wollen die Abmachungen über längere Arbeitszeit oder weniger Geld im Wesentlichen den Betriebsparteien überlassen, also die Gewerkschaften außen vor lassen; bis jetzt sind solche Bündnisse nur legal, wenn die Tarifparteien zustimmen. Wenn sich die Opposition damit durchsetzt, ist das stärkste Instrument der Gewerkschaften so gut wie kaputt: der Tarifvertrag. Sommer ist nach München gereist, um dies dem neuen Freund Stoiber ganz klar zu machen.

N 1 UND 4

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