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Meinung: „Ein Populist bin ich nie …

… gewesen und werde es auch nicht sein. Vielmehr wohl ein trockener Realist.

… gewesen und werde es auch nicht sein. Vielmehr wohl ein trockener Realist.“

Algirdas Mykolas Brazauskas, der alte und neue Regierungschef Litauens, verteidigt sich zurzeit mit diesen Worten. Denn die neue Koalition, die er in den vergangenen Wochen geschmiedet hat, entspricht nicht dem, was er vor den Parlamentswahlen im Oktober versprochen hatte. Vehement zog er damals zu Felde gegen den als Populisten angesehenen Newcomer in der litauischen Politik, den aus Russland stammenden Millionär Viktor Uspaskich. Dieser hatte mit seiner vor einem Jahr gegründeten „Partei der Arbeit“ schon bei den Europawahlen Brazauskas’ Regierungskoalition den Rang abgelaufen. So schmiedete Brazauskas noch vor der Wahl ein Bündnis zwischen seiner sozialdemokratischen Partei und der seines Koalitionspartners, der Sozialliberalen Union. Doch Uspaskich gewann. Vor allem wegen einer sensationell niedrigen Wahlbeteiligung von 46 Prozent.

Viele Wähler hatten auf ein Votum verzichteten, weil sie glaubten, Brazauskas bleibe so oder so Regierungschef. Tatsächlich begann er direkt nach der Wahl Sondierungsverhandlungen mit den Konservativen und dem Liberalen Zentrum. Doch noch bevor sich daraus etwas entwickeln konnte, forderte der erfahrene Taktiker bereits den politisch ambitionierten Uspaskich öffentlich mit Maximalforderungen heraus – und gewann.

Das Ergebnis: Trotz klarer Dominanz von Uspaskischs Arbeitspartei mit 39 Abgeordneten gegenüber nur 31 seitens der bisherigen Koalitionsparteien bleiben die Machthaber von gestern, Brazauskas und Paulauskas, weiter Regierungschef beziehungsweise Parlamentspräsident. Der eigentliche Gewinner, Uspaskich, kommt nominell lediglich als Juniorpartner in die Regierung, als Wirtschaftsminister und als Stellvertreter des Regierungschefs. Auch die Mehrzahl der Minister wird weiter von den Parteien der bisherigen Koalition gestellt.

Der 72-jährige Brazauskas ist ein Urgestein der Politik. Der gelernte Bauingenieur hatte 1956 damit angefangen, war dann zum Wirtschaftsfunktionär aufgestiegen, 1988 Generalsekretär der litauischen KP geworden und hatte später die Transformation der Partei zur Sozialdemokratie erfolgreich bewerkstelligt. 1993 wurde er gar der erste frei gewählte Staatspräsident und stieg dann 2001 als Regierungschef erneut in die Politik ein. Doch Brazauskas Zeit neigt sich dem Ende. Denn der Spielraum für den Methusalem der litauischen Politik wird kleiner.

Julian Wyszynski-Trzywdar

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