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Meinung: Ein Schlückchen aus der Mini-Bahr

Die Pflegereform des Gesundheitsministers ist völlig unzureichend

Es spricht für sich, dass der Minister die Idee partout nicht mit seinem Namen verkoppelt haben will. „Pflege-Bahr“ könne man die steuerlich geförderte Privatvorsorge ab 2013 doch nennen, hatte FDP-Generalsekretär Christian Lindner arglos angeregt – in Anspielung auf das erfolgreiche und ebenfalls nach seinem Erfinder benannte Riester-Rentenmodell. Doch in der Branche kursiert für Daniel Bahrs Reförmchen längst ein passenderer Begriff aus dem Hotelgewerbe. Er lautet „Mini-Bahr“.

Selten ist ein politischer Vorstoß von allen, die etwas davon verstehen, so einhellig – und zu Recht – in den Boden gestampft worden wie Bahrs Konzept zur Pflegereform. Und natürlich weiß auch der Minister, dass er mit dem dürftigen Koalitionskompromiss die von seinem Vorgänger geweckten Erwartungen nicht im Ansatz erfüllen kann. Er wusste es schon bei seinem Amtsantritt, insofern haftet seinem Versuch, wenigstens die nötigsten Verbesserungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen auf den Weg zu bringen, fast etwas Tragisches an. Aber die verunglückte Reform passt ins bekannte Muster seiner abgeschmierten Partei. Zu gewaltig die Kluft zwischen Wort und Tat, zwischen großspurigen Versprechen und dem Ergebnis. Dass Bahr das nun als Erfolg feiert, ist ein politischer Selbsterhaltungsreflex. Aber auch ein Hohn für alle Betroffenen.

Wie überfällig eine echte Pflegereform wäre, haben die politischen Akteure selbst betont, monatelang. Die steigende Zahl Demenzkranker, deren Betreuungsbedarf bisher ignoriert wird. Ihre oft hoffnungslos überforderten Angehörigen. Die menschenunwürdige Minutenpflege, der Verschleiß der viel zu wenigen Fachkräfte, die Leistungsentwertung durch Inflation. Das Demografieproblem.

Was also ist das Ergebnis des vollmundig ausgerufenen „Jahres der Pflege“? Eine verschämte Beitragserhöhung um 0,1 Punkte im Jahr 2013. Bringt 1,1 Milliarden, mit denen sich gerade mal der Status quo halten lässt. Allein für die Altersverwirrten wäre dreimal so viel Geld nötig, von anderweitigen Qualitätsverbesserungen und der überfälligen Entlastung pflegender Angehöriger gar nicht zu reden.

Und dann ist da noch die zum Pflege-Bahr mutierte Demografiereserve: Wie bei der Riester-Rente soll zusätzliche Privatvorsorge gefördert werden. Doch da das Ganze freiwillig bleibt, ist für die Zukunftsfestigkeit des Systems nichts gewonnen. Mit den alternden Babyboomern werden die Beiträge in die Höhe schießen. Und nur wenige Versicherte werden von der Förderung profitieren. Erstens, weil sie sich diese Vorsorge nicht werden leisten können. Und zweitens, weil das ersichtliche Risikoklientel durch überhöhte Prämien ohnehin aussortiert werden wird.

Reform pervers: Die Steuerzahler verhelfen nicht nur den Versicherungskonzernen zu neuen Geschäften. Sie subventionieren zudem die Betuchten, die ihr Vermögen im Pflegefall nicht mehr aufzuzehren brauchen, sondern es ungeschmälert weitervererben können.

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