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Meinung: Ein Schutz, der zerstört

Protektionismus in Europa schadet uns selbst / Von Douglas Alexander

Wenn es eine ökonomische Errungenschaft der EU gibt, die über allen anderen steht, dann ist es der offene, gemeinsame Markt. Zusammen mit unseren Partnern haben wir der Welt gezeigt, dass der Abbau von Handelsschranken allen Staaten mehr Stabilität, mehr Sicherheit und mehr Wohlstand bringt.

Und wir wissen, dass Protektionismus gegenüber der Konkurrenz von Seiten künftiger Wirtschaftsriesen wie China und Indien auf einem globalisierten Markt nicht funktionieren kann. Jetzt gilt es, nicht mehr nach innen, sondern nach außen zu schauen: Europa zu einem Markt globaler Kompetenz zu machen, ein globales Europa zu schaffen, das mit allen Teilen der Welt konkurrieren kann.

Insofern ist es kurios, dass ausgerechnet jetzt, wo die übrige Welt dem Beispiel der EU folgen und ihre Märkte öffnen will, manche hier so etwas wie einen Wirtschaftspatriotismus fordern. Millionen von britischen und deutschen Arbeitsplätzen hängen vom Handel mit unseren europäischen Partnern ab. Und diese Arbeitsplätze verdanken wir gerade nicht der Errichtung, sondern dem Abbau von Schranken. Damit unsere Unternehmen global florieren können, müssen sie mit den effizientesten Unternehmen der Welt konkurrieren können.

Wie schmerzhaft es sein kann, wenn Industrien diesen Realitäten ins Auge sehen müssen, wissen wir in Großbritannien aus eigener Erfahrung. Das Paradoxe am Protektionismus ist nämlich, dass er zerstört, was er zu schützen sucht. Wenn Unternehmen auf ihren heimischen Märkten gegen den Wettbewerb abgeschottet werden, werden sie schwerlich die Kraft aufbringen, in einem schärferen internationalen Wettbewerb zu bestehen. Aus der Festung Europa könnte allzu schnell ein Europa der Arbeitslosigkeit werden.

Auf dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs der EU in Hampton Court im vergangenen Oktober waren sich alle einig, dass wir eine neue Agenda für die Wirtschaft brauchen. Sie sollte Forschung, Entwicklung und Innovation fördern; überflüssige Bürokratie abbauen; der Notwendigkeit einer gemeinsamen Energiepolitik und einer stärkeren Integration der Märkte Rechnung tragen. Wir haben begriffen, dass die Logik abgeschotteter Märkte einfach nicht funktionieren kann, wenn man Lieferketten von Stuttgart nach Schanghai hat.

Es ist gewiss eine Versuchung für jeden Mitgliedsstaat, dem Druck der Öffentlichkeit im eigenen Land nachzugeben. Aber jeder Politiker muss sich fragen, ob das, was er tut, wirklich im langfristigen Interesse der Bürger liegt. Es ist keine patriotische Tat, die eigenen Industriezweige gegen die internationale Konkurrenz abzuschotten. Im Gegenteil: auf lange Sicht schadet man damit nur ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Für die Erkenntnis, dass dies nicht patriotisch ist, hat Großbritannien Lehrgeld gezahlt. Letzten Endes schadet alles, was dem freien Handel in Europa zuwiderläuft, den Interessen der einzelnen Mitgliedstaaten.

Wie das Beispiel Großbritanniens zeigt auch die Erfahrung der französischen Wirtschaft, dass man vor Investitionen und Übernahmen keine Angst zu haben braucht. Jeder siebte französische Arbeitnehmer ist zurzeit bei einem Unternehmen in ausländischer Hand beschäftigt. Interessiert es die französischen Kunden des Stromkonzerns SNET wirklich, dass dieser überwiegend in spanischer Hand ist?

Wenn Europas Wirtschaft Erfolg haben soll, muss sie die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die besten, effizientesten und innovativsten Unternehmen sich im Wettbewerb behaupten können. Die eigentliche Herausforderung für Europas Wirtschaft geht heute von den aufstrebenden Ländern Asiens aus. Wenn wir diese Herausforderung bewältigen wollen, müssen wir uns zuerst dem Wettbewerb auf unserem eigenen Kontinent stellen.

Wahrer Wirtschaftspatriotismus heißt für Frankreich, Deutschland und Großbritannien anzuerkennen, dass offene europäische Märkte in unser aller Interesse sind.

Der Autor ist britischer Europaminister.

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