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Juli Zeh - hier bei der Frankfurter Buchmesse - soll Verfassungsrichterin in Brandenburg werden.

© imago/Hartenfelser

Ein SPRUCH: Die Autorin im Gericht

Vor Jahren war sie erfolglos mit einer Verfassungsbeschwerde, jetzt wird Juli Zeh selbst Verfassungsrichterin - in Brandenburg.

Von Fatina Keilani

Vor einigen Jahren erhob die Schriftstellerin Juli Zeh Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht. Zeh wehrte sich damals gemeinsam mit ihrem Anwalt gegen die Speicherung von biometrischen Daten im Reisepass. Die Beschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie nicht gut genug begründet war. Der Beschluss erging am 30. Dezember 2012. Für Datenschutz und Bürgerrechte setzt sich Zeh seit Jahren ein - und bald wird die Schriftstellerin wahrscheinlich selbst Verfassungsrichterin. Die SPD, in der Zeh Mitglied ist, möchte sie zur Richterin am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg machen.

Das Verfassungsgericht wacht darüber, dass die Landesverfassung eingehalten wird. Es ist keine weitere Instanz im Instanzenzug, sondern überprüft Hoheitsakte auf ihre Verfassungskonformität. Ein Drittel seiner Richter sind ordentliche Richter, ein Drittel hat die Befähigung zum Richteramt, das dritte Drittel muss nicht mal Jurist sein. So kam auch der Filmregisseur Andreas Dresen („Sommer vorm Balkon“, „Gundermann“) an das Gericht. Am Bundesverfassungsgericht wäre das undenkbar, es dürfen nur Volljuristen dort Richter werden. Zeh, die Juristin ist, muss nun noch von zwei Dritteln der Mitglieder des Landesparlaments gewählt werden. Insgesamt braucht das Gericht in diesem Jahr sechs neue Richter.

Psychotherapie für Mörder

Auch schriftstellerisch dürfte die Tätigkeit reichlich Stoff bieten. Die interessantesten Entscheidungen sind die Verfassungsbeschwerden. Die jüngste ist vom 21. September und gibt einem Mörder recht, dem in der Haftanstalt keine Psychotherapie genehmigt wurde, obwohl diese im Vollzugsplan vorgesehen war. Das Gericht sah den Artikel 54 Absatz 1 der Landesverfassung verletzt. Danach ist die Würde des Menschen im Strafvollzug zu achten – übrigens eine Vorschrift, die ohne Vorbild im Grundgesetz und auch in keiner Landesverfassung enthalten ist. Die Versagung der Therapie war im Wesentlichen mit der verbleibenden Haftzeit begründet worden, es war jedoch nicht die Frage gestellt worden, ob eine Therapie für die Gesundheit des Häftlings medizinisch dringlich sei.

Eine weitere Entscheidung befasste sich mit dem Ausschluss des AfD-Politikers Andreas Kalbitz aus einer Parlamentssitzung in Potsdam, nachdem Kalbitz den CDU-Abgeordneten Steeven Bretz als „Goebbels für Arme“ bezeichnet hatte. In diesem Fall ist es keine Verfassungsbeschwerde, sondern ein Organstreit, bei dem Antragsteller und Antragsgegner Verfassungsorgane sind.

Das Brandenburger Verfassungsgericht erledigt rund 100 Fälle jährlich, der Verfassungsgerichtshof von Berlin wesentlich mehr - im vergangenen Jahr waren es 249. Die Brandenburger stellen allerdings wesentlich mehr Fälle in die Entscheidungsdatenbank ein, so dass jedermann sie lesen kann.

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