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Heino

© dpa

Ein SPRUCH: Hitler und die Heinis

Ein Sängerkrieg als Karikatur: „Nazi“ ist der Vorwurf, der zu beiden passt, Heino wie Delay. Er ist, wie sie, Teil deutscher Folklore.

Er möchte nicht, dass wir seine Lieder singen. Doch Heino tut es trotzdem. „Nazi“ nennt der Hamburger Näsel-Rapper Jan Delay unseren wichtigsten Volksliedinterpreten, nachdem dieser einen Delay-Song gecovert hat. Nun ließ der Barde seine Anwälte los. Nazi oder Nichtnazi, die deutscheste aller Fragen, soll vor der deutschesten aller Institutionen verhandelt werden, dem Gericht. Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung. Ein Sängerkrieg unter Nationalentertainern.

Ist Heino ein Nazi? Darum geht es nicht, man kann es hier mit Roberto Blanco halten („Heino ist mein weißer Bruder“) oder dem Magier-Duo Siegfried und Roy („Heino ist weltoffen und lehnt Gewalt strikt ab“). Entscheidend ist: Darf Heino als Nazi bezeichnet werden? Immerhin, ein paar Anknüpfungspunkte gäbe es. Heino trat zu Apartheidszeiten in Südafrika auf, er spielte im Auftrag des früheren Nazirichters und Stuttgarter Ministerpräsidenten Hans Filbinger das Deutschlandlied samt erster Strophe auf Platte ein, für Bildungszwecke. Heino sang Soldatenlieder und beschreibt sich mit Hitler-Zitaten („hart wie Kruppstahl, zäh wie Leder, flink wie ein Windhund“).

„Nazi“ ist, in diesen Zusammenhängen, ein Werturteil, keine Tatsachenbehauptung. Es kann dann zwar eine strafbare Beleidigung sein, urteilten bisher die Gerichte. Aber muss das so bleiben? Politischem Extremismus anzuhängen kann niemandes Ehre kränken. Jan Delay einen Linksradikalen zu nennen wäre schließlich auch keine Beleidigung. Man wird ihn sogar als Terrorfreund bezeichnen dürfen („Die Bewegung 2. Juni finde ich gut“). Vielleicht hat er aber auch einfach nur von alldem keine Ahnung, so wenig wie Heino von Hitler.

„Nazi“ ist der Vorwurf, der zu beiden passt, Heino wie Delay. Er ist, wie sie, Teil deutscher Folklore. Jeder Heini ist ein Nazi: Wer nazimäßig drauf ist, Nazisachen sagt, sich von Nazis nicht abgrenzt. Oft ist der Nazi-Vorwurf oberflächlich, ungerecht, pauschal. Gelegentlich, wie bei Heino, auch dumm. Tatsache ist, er gehört zum Alltag, ist längst ein politisch-medialer Refrain geworden. Im Vorwurf, Nazi zu sein, erkennt Deutschland sich selbst. Es ist ein bisschen so, wie es früher einmal mit dem Liedgut war. Delay legt vor, Heino empört sich, Delay entschuldigt sich („Ich bin da wohl verbal übers Ziel hinausgeschossen“) – damit beteiligen sich beide an der Kulturpflege. Ein Sängerkrieg als Karikatur.

Gerade erst vergangene Woche hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die deutschen Gerichte kritisiert, weil sie den Meinungscharakter des Nazi-Vorwurfs übersahen und einen Polit-Aktivisten für eine angebliche Tatsachenbehauptung verantwortlich machten. Diesen Fehler sollte die Justiz nicht wiederholen. Nazi, das sagt sich tatsächlich so leicht. Und so lange der Vorwurf weiter verbreitet ist, als es die Nazis sind, sollen die Delays und Heinos ihren Mund aufmachen. Egal, was herauskommt.

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