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Ein SPRUCH: Mehr Tempo für Transparenz

Der Pressefreiheit geht es gut in Deutschland, eine Zensur findet nicht statt. Bei diesem Thema gibt es ausnahmsweise mal keine Kluft zwischen Sonntagsreden und arbeitstäglicher Praxis.

Der Pressefreiheit geht es gut in Deutschland, eine Zensur findet nicht statt. Bei diesem Thema gibt es ausnahmsweise mal keine Kluft zwischen Sonntagsreden und arbeitstäglicher Praxis. Gelegentliche Redaktionsdurchsuchungen bei begründetem Straftatverdacht (Berliner Morgenpost) oder wütende Anrufe von Bundespräsidenten bei Chefredakteuren (Wulff/Diekmann) ändern nichts an dem Befund. Eine andere Frage ist dagegen, wie es um die Informationsrechte der Presse bestellt ist. Ein urdemokratisches Anliegen, dass nicht nur Transparenzjünger und Open-Government-Fetischisten umtreiben sollte. Hier teilt das Bundesinnenministerium nun mit: Es hat sich nichts geändert, und es wird sich vorerst nichts ändern. Jedenfalls nicht, solange die Union am Ruder bleibt.

So weit, so schlecht. Denn im Februar hatte das Bundesverwaltungsgericht geurteilt, dass die Auskunftsansprüche nach den Pressegesetzen der Länder nicht auf Bundesbehörden anwendbar seien. Die Bundesregierung, ist seitdem nur noch nach einem „Minimalstandard“ zur Auskunft verpflichtet. Das reicht auch, meint Hans-Peter Friedrich, dessen Innenministerium die Vorlage für die neue Rechtsansicht geliefert hatte. Letztlich, argumentiert er, bliebe doch damit alles beim Alten.

Das genau ist das Problem. In einer Zeit, in der Regierungschefs wichtige Botschaften per Twitter absetzen und sich die Weltnachrichtenlage im Sekundentakt ändert, wollen Friedrich und seine Union es in Sachen der Presse beim Alten belassen. Nur oberflächlich ist das ein Modernisierungsversagen. Tieferes Motiv dürfte ein beamtisch-hierarchischer Gestus sein, der, man glaubt es kaum, gerade in den Bundesministerien noch immer eine Heimat hat. Die Regierung in dienender Funktion? Und dann noch gegenüber der Presse? Wir sind der Staat, ihr seid nur das Volk.

Ob das mit der SPD besser wäre, darf bezweifelt werden. Sie hatte ebenso eilig wie halbherzig einen Entwurf vorgelegt, der ebenfalls wenig bis nichts geändert hätte. Wichtiger wäre, die Informationsrechte der Presse insgesamt zu ordnen und zu aktualisieren, damit sie ihre Funktion wahrnehmen kann, wie das Bundesverfassungsgericht es verlangt. Dazu würde gehören, das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) des Bundes, das allen Bürgern einen Zugang zu amtlichen Dokumenten verschafft, auf Aktualitätsbedürfnisse von Journalisten hin zuzuschneiden. Denn bisher läuft es so: Fragt man als Pressevertreter etwa im Innenministerium für aktuelle Recherchen nach Akten, bekommt man eine Abfuhr, weil die Unterlagen regierungsintern seien. Stellt man einen IFG-Antrag, kommen die Dokumente natürlich – aber nach Wochen. Echte Transparenz braucht in diesen schnelllebigen Zeiten dagegen vor allem eines: mehr Tempo.

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