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Ein SPRUCH: Nichts für die Ewigkeit

Die NPD klagt gegen die neue Drei-Prozent-Hürde für die Europawahlen. Wollen die "etablierten Parteien" mit ihrer Klauselstrategie nur unliebsame Konkurrenz ausschalten?

Kaum beschlossen, schon verklagt. Am vergangenen Donnerstag hatte der Bundestag die neue Drei-Prozent-Hürde für die Europawahlen 2014 verabschiedet, da schickten die Superdemokraten von der NPD sogleich eine Organklage an das Bundesverfassungsgericht. Sie berufen sich auf politischen Minderheitenschutz. Etwas, das man mit Sympathie begleiten könnte, bezöge die Partei es außer auf sich selbst auch mal auf andere Minderheiten.

Aber der NPD geht es um den nunmehr voraussichtlich vereitelten Provokationserfolg, mit dem einen oder anderen Vertreter ins Europaparlament einzuziehen, um dort braune Folklore darzubieten. Damit nimmt die Partei ihre Lieblingsfrontstellung ein. Gegen die „etablierten“ Parteien, die mit ihrer Klauselstrategie unliebsame Konkurrenz ausgrenzen wollten; im Bund mit unfreiwillig vereinnahmten Demokratie- und Rechtsstaatspredigern wie Hans-Christian Ströbele und, nicht zuletzt, dem Verfassungsgericht selbst. Denn das hatte die deutsche Fünf-Prozent-Hürde für die Europawahl vor anderthalb Jahren mit einem umstrittenen Urteil gekippt. Das Argument der Richter: Das Europaparlament sei noch kein „richtiges“ Parlament, das handlungsfähig bleiben und eine Regierung tragen müsse; das eben deshalb nicht in Kleinstinteressen zersplittern dürfe.

Mit Karlsruher Urteilen gegen vermeintlich träge oder unfähige Mehrheitspolitik – das ist ein Szenario des Verfassungsstaats, das auf rechte wie linke Lager übergreift und vor dem sich mit wachsender Lust Populisten spreizen, ob es mit Karlsruhe nun gegen den Euro geht oder für mehr Netto in der Homo-Ehe. Gilt es nicht, den „Geist“ der Urteile zu schützen? Was ist von einer Politik zu halten, wenn sie kleinkariert Vorgaben umgeht, indem sie von verbotenen fünf Prozent zwei Prozent herunterrechnet?

Tatsächlich gehen die Parteien ein Risiko ein. Denn die Verfassungsrichter hatten Skepsis auch gegenüber „äquivalenten Regelungen“. Allerdings war es kein Urteil für die Ewigkeit. Es nahm zwar schon das Europaparlament nach dem Lissabonvertrag in den Blick, mit dem dieses aufgewertet wurde, kannte aber dessen Praxis noch nicht. Auch hat im November das EU-Parlament dazu aufgerufen, in den Mitgliedstaaten Schwellen für die Sitzzuteilung festzulegen. Nicht zuletzt deshalb, weil ab nächstem Jahr das Parlament gegenüber der EU-Kommission noch einmal gestärkt wird. Der parlamentarischen Meinungsbildung Struktur zu geben wird folglich wichtiger.

Die Politik handelt also weder irrational noch widersetzt sie sich Karlsruher Vorgaben. Sie nimmt das EU-Parlament als Ort demokratischer Mitbestimmung ernst und darf erwarten, dass angesichts veränderter Bedingungen die Richter es ebenfalls tun. Nazis, die Demokraten sein wollen, könnten es auch mal tun.

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