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Ein SPRUCH: Show mit Schokolade

Zwei urdeutsche Institutionen erheben vor Gericht die Fäuste, da darf die Nation nicht beiseitestehen. In der einen Ecke der Herausforderer, die Alfred Ritter GmbH & Co.

Zwei urdeutsche Institutionen erheben vor Gericht die Fäuste, da darf die Nation nicht beiseitestehen. In der einen Ecke der Herausforderer, die Alfred Ritter GmbH & Co. KG, deren Quadratschokolade jedes Kind kennt. In der anderen die Stiftung Warentest, die Oberinstanz der Konsumgerichtsbarkeit, deren scharfe Urteile von der staatlichen Justiz seit Jahren nur noch abzunicken sind. Und nun das: Die Schokoritter haben die erste Runde gewonnen, der Champion wankt. Man wüsste gerne, wie es ausgeht. Wenn es nicht so egal wäre.

Denn wir haben gelernt, was zu lernen war. In jedem Kilo der Sorte Voll-Nuss stecken 0,3 Milligramm Piperonal. Das ist ein Aromastoff (Vanille, Mandel), der in der Natur in Blütenölen vorkommt oder technisch hergestellt werden kann. Er duftet und schadet nicht. Wir sehen, die EU-Aromengesetzgebung hat ein paar früher bestehende Unterscheidungen eingeebnet. „Natürliches“ Aroma ist das verbliebene Maß der Dinge. Die Warentester sagen, der Ritter-Stoff sei synthetisch, geben aber zu, dass sie dies anhand der Schokolade nicht beweisen können. Die gültige Einordnung des Aromas, mithin die vollendete Synthese aus Chemie und Recht, steht aus. Einig ist man sich nur, dass es eine „chemische Veränderung des Ausgangsstoffes“ in einem, so wörtlich, „Lebensmittelzubereitungsverfahren“ gab. Wer will’s genauer wissen?

Die nicht immer appetitliche Industrie um „natürliche“ Aromen boomt. Vermutlich wären sie oft verzichtbar, wenn die Qualität der Rohstoffe taugt. Darüber können die Ritter-Leute nachdenken, das haben die Warentester erreicht. Verloren haben sie, weil sie den Schoko-Fight unfair angegangen sind. Sie haben dem Hersteller Täuschung vorgeworfen, Vorsatz also. Dafür gab es kaum Hinweise. Sie wählten überzogen harte Worte, um dem Stiftungsauftrag gerecht zu werden, die Öffentlichkeit „über objektivierbare Merkmale des Nutz- und Gebrauchswertes sowie der Umweltverträglichkeit von Waren“ zu unterrichten. Die Unterrichtung findet zwar traditionell als „Testurteil“ statt. Doch wer so viel Autorität beansprucht, sollte auch handeln wie ein Gericht: Die Vorschriften nennen, auf die man sich beruft, und den Sachverhalt darunter fassen. Das wäre fair gewesen.

Vielleicht geht die nächste Runde für die Stiftung besser aus. Aber ihre Lehren dürften alle gezogen haben. Hersteller und Tester, insbesondere die, dass sie politischer werden müssen, das heißt: unangreifbar. Wir Verbraucher dürfen davon ausgehen, dass wir vor „Voll Nuss“ keine Angst haben müssen und die Ritter keine Trickser sind. Die Richter übrigens haben die Parteien bekniet, einen Vergleich zu schließen. Wäre ein faires Ende. Aber die Gegner wollen weitermachen. Noch ein Urteil über das Urteil zum Testurteil. Aus Streit wird Show. Wenn es hier eine Verbrauchertäuschung gibt, dann diese.

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