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Jost Müller-Neuhof ist rechtspolitischer Korrespondent des Tagesspiegels. Seine Kolumne "Einspruch" erscheint jeden Sonntag auf den Meinungsseiten.

© Kai-Uwe Heinrich

Ein SPRUCH: Was Beamte leisten

Nun wird ein überflüssiges Geheimnis daraus gemacht, warum das angebliche Staatsgeheimnis gar keines sein soll. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Setzen wir ihm ein Denkmal, jenem unbekannten Beamten des Justizministeriums, der mit seinem Gutachten die Blogger von „netzpolitik.org“ aus den Fängen des Generalbundesanwalts befreit hat. Gutachten bedeutet an sich, dass ein Ergebnis erst noch gefunden werden muss. Im Fall des Beamten war es anders. Er wusste, was der Chef erwartet.

Warum ein Denkmal? Weil der Mann – oder die Frau – eine Schwerstaufgabe hatte. In wenigen Tagen sollte er schaffen, wofür der vom Generalbundesanwalt beauftragte Gutachter sich drei Monate ausbedungen hatte: zu prüfen, ob es sich bei den Veröffentlichungen der Blogger zu Plänen des Verfassungsschutzes um ein Staatsgeheimnis handelt. Denn Landesverrat kann nur begehen, wer ein solches fremden Mächten zuflüstert oder, wie die Blogger, an die große Glocke hängt.

Staatsgeheimnisse sind Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und vor einer fremden Macht geheim gehalten werden müssen, um die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik abzuwenden. So steht es im Gesetz. Das klingt nach Hochbrisantem. So muss es aber nicht sein. Entgegen verbreiteter Ansicht müssen Staatsgeheimnisse nicht mal als „Verschlusssachen“ eingestuft werden, schon gar nicht als „streng geheim“. Ein Staatsgeheimnis kann sogar etwas sein, was noch nicht einmal der Staat selbst kennt: Der Verfassungsschutz zum Beispiel ist für Spionageabwehr zuständig. Mit welchen Mitteln er operiert, welche Kräfte er wie einsetzt – da ist man schnell beim Staatsgeheimnis. Es muss nur dann keines mehr sein, wenn es, wie im Fall der Blogger, vorher schon in der Presse stand. Aber neue Details könnten wieder ein Staatsgeheimnis daraus machen.

Es spricht einiges dafür, dass für „netzpolitk.org“ trotz der Vorabberichterstattung noch genug Staatsgeheimnis übrig blieb. Der denkmalwürdige Beamte wird das etwas hingebogen haben müssen, um zum Wunschergebnis zu gelangen.

Gerne würde man wissen, wie. Aber es ist – ein staatliches Geheimnis. Verschlusssache „VS – vertraulich“, teilt das Justizministerium mit. Die Einstufung hindert jedoch keine Behörde, bei öffentlichem Interesse über den Inhalt Auskunft zu geben. Zumal das dazu gehörende Ermittlungsverfahren eingestellt ist. Nun wird ein überflüssiges Geheimnis daraus gemacht, warum das angebliche Staatsgeheimnis gar keines sein soll. Justizminister Heiko Maas, der für seinen beherzten Eingriff gefeiert wird, rettet sich in einen billigen Formalismus. Ist ihm peinlich, was der Beamte da unter (seinem) politischem Hochdruck produzieren musste?

Wer so reinhaut wie Maas, muss dazu stehen, sonst ist die Transparenz, die er und seine Leute so gern im Munde führen, nur eine Phrase. Die abgewürgten Ermittlungen als „Verschlusssache“ – ein Witz.

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