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Ein Zwischenruf …: … zu den Armen

Barbara John über eine Gruppe, die politisch vergessen wird: Die deutsche Hauptstadt ist die größte Armensiedlung in der Bundesrepublik.

Mehr als jeder Fünfte lebt von Sozialleistungen des Staates, darunter 179 000 Kinder und Jugendliche. Das sind fast 40 Prozent in dieser Altersgruppe. Die Zahl der armen Hauptstädter ist in den vergangenen Jahren weiter gewachsen. Trotzdem oder gerade deshalb sind die Armen politisch eine vergessene Gruppe. Anders als bei Einwanderern, Suchtkranken oder Unternehmern mit Niederlassungsabsichten gibt es für sie keine Beauftragten, keine herausgehobenen Anlaufstellen, keine speziellen Senatsberichte.

Das heißt nicht, dass nichts für sie getan wird. Im Gegenteil: Von der Wiege bis zur Bahre warten zahlreiche materielle Leistungen, seien es zum Beispiel die Erstattung der Mietkosten, die Lernmittel- und Rundfunkgebührenbefreiung, die Grundsicherung im Alter; alles notwendige Programme, um einen Lebensstandard auf einem gerade noch auskömmlichen Niveau zu sichern. Genau das ist allerdings nicht gut genug für die Armen. Was sie wirklich brauchen, sind auch nicht die viel diskutierten kleinen Eurobeträge, um ihre kargen Finanzen aufzustocken. Notwendig wäre eine Strategie für die Armen, die mehr ist als Versorgung, nämlich ein politischer Wille, den Zustand des Armseins aufzuheben, statt einfach hinzunehmen, dass sie sich in Großsiedlungen zurückziehen. Eine solche Vision fehlt der Stadt. Und damit fehlen Wärme und Zutrauen, dass die Armen es besser machen können.

Ein strategisches Ziel muss lauten: Armut darf sich nicht vererben. Und Armut bleibt dann auf der Strecke, wenn Kinder aus gefährdeten Familien gute Schulabschlüsse erwerben. Die Mitverantwortung dafür kann nur den Regeleinrichtungen wie Kitas, Schulen, Jugendfreizeiteinrichtungen und Nachbarschaftszentren, übertragen werden; sie müssen enger als bisher und unabhängiger von administrativen Gängelungen im Sozialraum zusammenarbeiten mit Blick auf jedes einzelne Risikokind bis zum Abschluss.

Was Eltern und Kinder auch brauchen, sind verlässliche soziale Kontakte zu Menschen außerhalb der eigenen Kreise, damit sie Distanz zu ihrem Milieu entwickeln und gleichzeitig neue Lebensentwürfe aufbauen können. Leisten könnten das Patenprogramme, die von den zahlreichen freien Trägern, über die Berlin verfügt, organisiert werden.

Ohne eine neue Politik bleiben die Berliner Armen da, wo sie jetzt sind, in einer dauerhaften Randexistenz. Eine unerträgliche Vorstellung.

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