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Meinung: Eine neue Disziplin

Bei der Turiner Dopingrazzia hat sich das Zusammenspiel von Sport und Staat bewährt

Die Olympischen Winterspiele zeigen gerade, wie die Dopingbekämpfung der Zukunft aussieht: mit Polizei und Staatsanwaltschaft, mit Hausdurchsuchungen und Personenfahndung. Die Razzia in einem Quartier der österreichischen Mannschaft trägt die Züge gewöhnlicher staatlicher Verbrechensbekämpfung. Hat der Sport den Kampf gegen Doping verloren – weil er ihn nicht mehr alleine führt?

Das Gegenteil ist der Fall, das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat in Turin eine neue Souveränität gezeigt: Selbst handeln, wenn es handeln muss, und sich der Hilfe des Staates bedienen, wenn die eigenen Mittel nicht mehr ausreichen. Der Hinweis für die Razzia an die staatlichen Behörden kam schließlich aus dem Sport, die Welt-Anti-Doping-Agentur hatte zuvor ausreichend belastendes Material gesammelt. So sehr das IOC und die italienische Regierung vor den Spielen um die Kompetenzen bei der Dopingbekämpfung gestritten hatten, so effizient ist nun ihre Zusammenarbeit. Das IOC führt Dopingkontrollen durch, die Polizei eine Razzia.

Seine Hoheit bei der Dopingbekämpfung hat der Sport dadurch nicht verloren, aber alleine kann er gegen den Betrug schon lange nichts mehr ausrichten. Die kriminelle Energie ist inzwischen zu groß geworden. Um Beweise sicherzustellen, bedarf es professioneller Ermittlungsmethoden. Daran müssen sich die Sportler erst noch gewöhnen. Der erste Reflex der Österreicher nach der Razzia war der erwartbare – die Würde der Athleten sei verletzt, ihre Vorbereitung auf den Wettkampf zunichte gemacht. Doch seitdem sich abzeichnet, dass die Polizei tatsächlich fündig geworden ist, wandelt sich in den österreichischen Medien die Kritik allmählich in Lob.

Ob die Würde der Athleten verletzt worden ist, muss von Fall zu Fall neu bewertet werden. Anders als überfallartig können Dopingkontrolleure und Polizei manchmal gar nicht vorgehen. Denn die neuen Dopingmittel sind nur wenige Stunden im Körper nachweisbar, und die Spuren des Betrugs werden von den Sportlern und ihren Trainern schnell beseitigt. Als die Polizei ins Quartier der Österreicher kam, warf ein Biathlet gerade einen Sack mit mutmaßlich belastendem Material aus dem Fenster.

Im Zentrum dieser Affäre steht jedoch ein Trainer, und damit könnte die Dopingdiskussion vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Die Verantwortlichkeit liegt schließlich auch bei Trainern und Ärzten. Es ist oft der Trainer, der den Betrug organisiert, über das Dopingmittel entscheidet und dem Sportler Gewissensbisse ausredet. Viele gedopte Athleten sind daher nicht nur Täter, sondern auch Opfer.

Wie viel Hoffnung macht nun das erfolgreiche Zusammenspiel von Sport und Staat? Es könnte in der Tat Modell sein für zukünftige Olympische Spiele, doch nicht immer wird es so einfach sein wie in Turin. Italien hat schließlich das wohl härteste Dopinggesetz der Welt, es räumt dem Staat weitreichende Kompetenzen ein. In Frankreich gab es ebenfalls schon Polizeiaktionen, etwa bei der Tour de France. Aber wie wird die Dopingbekämpfung bei den nächsten Sommerspielen aussehen, 2008 in Peking? Würden sich die chinesischen Behörden überhaupt trauen, das Quartier einer ausländischen Mannschaft zu durchsuchen? Sähe das in einem Land mit derartiger Dopingvergangenheit und politischer Repression nicht nach Bevorteilung der eigenen Athleten aus?

Gerade deshalb darf der Sport sich seine Autonomie nicht nehmen lassen. Dopingbekämpfung ist seine eigene Aufgabe. Von ihr wird es abhängen, ob der Sport seinen Anspruch des fairen Wettbewerbs aufrechterhalten kann oder nur ein unterhaltsames Spiel ist.

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