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Meinung: Eine Schneise ins Dickicht der Interessen

Alle klagen über die Gesundheit. Ich nicht.

Nein, ich vermag die Gesundheitsreform nicht wirklich zu beurteilen. Gesundheitsfonds, Risikostrukturausgleich zwischen den Kassen, kleine Kopfpauschale, Mitnahme von Altersrückstellungen – nur die wenigen Gesundheitsexperten können diese Begriffe auflösen und, wichtiger noch, erklären, was anders wird, schlechter, wie fast alle behaupten, oder eben besser, wie die Regierung tapfer dagegenhält. Es ist das Problem der Regierung, dass dieses „Besser“ bei medizinischem Fortschritt in einer alternden Gesellschaft allenfalls Kostendämpfung, also etwas weniger von mehr Zuzahlung und höheren Beiträgen bedeuten kann – nichts, was eine Reform für die von ihr Betroffenen attraktiv macht.

Ob die Operation dennoch gelungen oder der von vielen diagnostizierte Pfusch ist, können wir gesundheitspolitischen Laien nur anhand von Indizien beurteilen. Und da macht einiges stutzig. Dass die Reform von den Linken in der SPD wie von den Marktradikalen in der CDU verworfen wird, spricht eher für sie. Dass der sozialdemokratische Gesundheitsökonom Lauterbach sie vor jedem Mikrofon verdammt, ebenfalls, da hier das Interesse des „Es kann nicht richtig sein, was ich nicht gemacht habe“ offensichtlich ist.

Überhaupt die Interessen: Wenn Kassenvertreter landauf landab vor dem „bürokratischen Monstrum“ des Gesundheitsfonds warnen und zugleich den Verlust von Arbeitsplätzen befürchten, ist schon die Logik verletzt, denn Bürokratie schafft bekanntlich – wenn auch unproduktive – Arbeitsplätze. Angeblich geht es überall um die Patienten, tatsächlich um die Gewinnspannen der Pharmaindustrie wie der Apotheker, um die Nachprüfbarkeit ärztlicher Leistungen in Rostock wie in München und um den himmelschreienden Irrsinn hunderter Kassen mit Vorständen, Geschäftsführern und Gebietsleitern.

Was die Reform – wenn auch nur in Ansätzen – zuwege bringen könnte, ist mehr Wettbewerb in einem System, das sich diesem unter Berufung auf das Wohl der Patienten seit Jahren entzieht. Es ist schon so: Was am meisten für die Reform spricht, ist der einhellige Protest aller Interessenvertreter. Wären Kassenvorstände und Apothekerverband dafür, müsste man skeptischer sein. Es ist bestimmt kein großer Wurf, aber vielleicht eine Schneise in das Dickicht der Interessen – und dabei sind die Kanzlerin und ihre Gesundheitsministerin allemal vertrauenswürdiger als die den Untergang der Volksgesundheit an die Wand malenden Lobbyisten.

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