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Meinung: Einen Besseren finden sie nicht

Bush und Scharon haben gesiegt – nun müssen sie im Nahen Osten Wort halten

Was war vor dem Irak-Krieg nicht alles prophezeit worden: Der Nahe Osten in Flammen, die arabischen Massen auf der Straße und ein auf Jahre blockierter Friedensprozess. Das Gegenteil ist eingetreten: Der Irak-Krieg könnte zum Katalysator werden, der eine Lösung des Nahostkonflikts beschleunigt. Nach 30 Monaten Terror-Intifada musste Jassir Arafat Macht an den moderaten Premierminister Mahmud Abbas abtreten. Und das Nahostquartett USA, Russland, EU und UN hat nun das ambitionierteste Projekt zur Beendigung des Konflikts seit dem im Terror kollabierten Oslo-Prozess vorgestellt.

Wie kann das sein: dass ein Krieg Frieden bringt? Mit ihrem Blitzsieg haben die USA sich nicht nur als politischer, sondern auch als militärischer Hegemon in der Region etabliert. Der Irak ist nun kein sicherer Rückzugsort mehr für palästinensische Terroristen. Und Syrien und Iran, die wichtigsten Sponsoren antiisraelischen Terrors, stehen unter verschärfter Beobachtung. Die Amerikaner haben deutlich gemacht: Terror als Fortsetzung der Politik mit tödlichen Mitteln wird nicht mehr geduldet. Bei den meisten palästinensischen Politikern ist die Botschaft angekommen. Sie wissen, dass sie zurück zur Politik finden müssen. Die Israelis ohne Friedensabkommen aus der Westbank und Gaza zu bomben, wie es der Hisbollah im Libanon gelang: diese Strategie ist gescheitert.

Auch Ariel Scharon hat gesiegt: Arafat ist international isoliert. Aber schon macht sich die List der Geschichte bemerkbar: Die Siege von Bush und Scharon setzen die Sieger unter Druck. Bush muss aus Gründen der Glaubwürdigkeit nun viel für eine Lösung des Konflikts tun. Und Israels Premier muss beweisen, dass er mit der Isolierung Arafats nicht nur auf Zeit spielte. Scharon gerät jetzt in die Situation, in der Rabin, Peres und Barak waren: Er darf nicht jeden Terrorschlag mit heftigen Gegenschlägen beantworten. Er muss sich den Ärger der Siedler einhandeln. Und er weiß: Wenn er Abbas in Augen der Palästinenser delegitimiert, betreibt er das Geschäft Arafats. Denn der wartet in den Kulissen auf das Scheitern seines Premierministers, um selbst wieder die Bühne zu betreten.

Wenn sich die Bedeutung eines Politikers an der Zahl seiner Feinde bemisst, dann ist Mahmud Abbas ein bedeutender Mann. Die Terrorgruppen haben sich mit den jüngsten Anschlägen gegen den neuen Premier positioniert und werden ihre Attacken in den nächsten Wochen noch intensivieren. Arafat wird alles tun, um die Macht über die meisten Sicherheitsapparate zu behalten. Und viele Rechte in Scharons Kabinett wollen Abbas scheitern sehen, weil sie einer Zweistaatenlösung zutiefst misstrauen.

Arafat konnte, aber wollte den Terror nicht bekämpfen. Abbas will, aber kann er auch? Wie der Arzt Bernard Rieux in Camus’ „Die Pest“ hat Abbas sich zum Ziel gesetzt, die Terrorpest zu bekämpfen, die sich tief ins Bewusstsein der Palästinenser eingegraben hat. Und wie Rieux weiß Abbas, der sich mehr für einen Gerufenen denn einen Berufenen hält, dass er eigentlich keine Chance hat – und sie dennoch nutzen muss.

Die schiere Größe und Aussichtslosigkeit seines Unterfangens ist Abbas’ einziger Trumpf. All jene, die mithelfen wollen, den Fahrplan zum Frieden umzusetzen, wissen: Einen besseren als Abbas werden sie nicht finden. Der Nahostfahrplan ist die größte Chance für eine Lösung des Konflikts seit 1993, als die PLO und Israel den Oslo-Vertrag schlossen. Doch was für den Oslo-Prozess galt, gilt jetzt wieder: Jede vergebene Chance macht eine Lösung des Konflikts noch unwahrscheinlicher.

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