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Meinung: Einheitspackung

Eine Zerschlagung der Berliner Charité würde das Rad der Geschichte zurückdrehen

Sechs Jahre nach der Fusion der Berliner Unikliniken plant der Präsident der Freien Universität die Zerschlagung der neuen Charité. Mit 11 000 Mitarbeitern an drei Hauptstandorten – dem Klinikum Benjamin Franklin in Steglitz, dem Virchow-Klinikum in Wedding und der alten Charité in Mitte – sei sie zu groß, um wirtschaftlich zu arbeiten, sagt Dieter Lenzen.

Ein Defizit von 56 Millionen Euro 2008 und 19,5 Millionen in diesem Jahr sowie Skandale wie die Quersubventionierung des privaten Krankenhauskonzerns Helios ließen sich in kleineren Einheiten eher vermeiden. Für das Klinikum Steglitz setzt Lenzen auf einen Investor, der 200 Millionen Euro Sanierungskosten sowie die Krankenversorgung übernehmen solle.

Aus Sicht der FU vertritt Lenzen eine gerechte Sache: Ihm kommt es darauf an, die Humanmedizin am Standort seiner Uni im Südwesten Berlins zu erhalten. Auch wenn der Campus Benjamin Franklin nominell nicht mehr zur FU gehört, kann sich die 2007 gekürte Eliteuniversität die Forschungserfolge der Steglitzer Medizin anrechnen. Ohne Medizin keine Volluniversität und keine Lebenswissenschaften als Kooperationspartner der starken Geisteswissenschaften.

Schon 2001/2002 hatte sich die FU mit breiter öffentlicher Unterstützung gegen eine vom Senat aus Kostengründen gewollte Schließung ihres Uniklinikums gewehrt. Die Fusion war die ungeliebte Alternative. Lenzens Vorstoß ist jetzt auch als Abwehr neuer Schließungsszenarien zu verstehen.

Auch die Überlegung, private Investoren an den Klinikbauten zu beteiligen, ist nicht falsch. Selbst in der Charité-Leitung wird darüber nachgedacht: Geldgeber übernehmen die Standorte, zahlen für die Sanierungsmaßnahmen oder für Neubauten – und vermieten sie dann an die Charité.

Den Krankenhausbetrieb Privaten zu überlassen, wäre allerdings ein großes Wagnis. Vor wenigen Monaten erst hat sich die Charité in Berlin-Buch vom Helios-Konzern getrennt, weil sich Krankenversorgung und Forschung rechnerisch nicht klar trennen lassen.

Ohnehin wäre es ein Fehler, dieses große Gemeinschaftsprojekt von universitären Krankenhäusern aus dem Westteil und aus dem Ostteil der Stadt im Jahr 20 nach dem Mauerfall auseinanderzudividieren. Mit Lenzens Konzept, den Klinikdirektoren künftig „dezentrale Verantwortung“ und eigene Budgets zu geben, würde das Rad der Geschichte zurückgedreht. Eine Teilung würde die Charité zweifellos beschädigen: Sie ist das größte und wissenschaftlich erfolgreichste Uniklinikum Europas. Zudem beteuert Charité-Vorstandschef Karl Max Einhäupl, bis 2011 aus den roten Zahlen zu sein.

Nun ist Lenzen nur Präsident der FU, es steht gar nicht in seiner Macht, das Klinikum Benjamin Franklin aus dem Verbund der Charité zu lösen. Denn die Charité ist eine eigenständige Holding, und genau wie der Präsident der Humboldt-Uni hat Lenzen 2005 Sitz und Stimme im Aufsichtsrat verloren. Allerdings hat Lenzen sein Konzept jetzt dem neuen Finanzsenator Ulrich Nußbaum vorgestellt. Und der ist, wie sein Sprecher sagt, „offen für innovative Ideen“. Nußbaum sollte sehr genau ausloten, welche Ideen der Charité wirklich nützen.

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