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Barack Obama zieht den Schlussstrich unter den US-Schuldenstreit - bis auf Weiteres.

© Reuters

Einigung in den USA: Schuld und Schulden

Ein Kompromiss ist gefunden, die größte Volkswirtschaft der Welt haarscharf an der Pleite vorbeigeschlittert. Doch Freude können allenfalls die Protagonisten in Washington empfinden.

Barack Obama mag nun auf seine Wiederwahl im Herbst nächsten Jahren hoffen, während die Republikaner glauben dürfen, den Machtwechsel unwiderruflich eingeleitet zu haben. Für den Rest der Welt – auch und besonders für das amerikanische Volk – ist indes kein Problem gelöst. An der Überschuldung der USA ändert es leider nichts, wenn die Schuldengrenze nach oben verschoben wird. Zu viel bleibt zu viel. Und die Aussichten für Unternehmen und Arbeitnehmer verschlechtern sich, jedenfalls zunächst, wenn der Staat seine Aufträge zurückfahren muss.

Das ist das unauflösbare Dilemma, in dem viele entwickelten Staaten der Welt stecken. Jahr um Jahr haben ihre Regierungen Geschenke verteilt und dabei künftige Generationen in Haftung genommen. Sie haben die Landwirtschaft oder den Bergbau subventioniert, Panzer und Flugzeuge gekauft, Autobahnen und Verwaltungsgebäude bauen lassen, sie haben Rentenansprüche und Lehrpläne festgelegt und all das stets mit dem Blick darauf, was die Menschen tatsächlich oder vermeintlich wollen. Jetzt beginnen längst vergessene Schecks zu platzen, in den USA wie in Europa.

Ein Fehler liegt im System: Wer alle vier Jahre vor den Wähler tritt, dessen Horizont muss nicht viel weiter reichen. Auf Wertschätzung für eine nachhaltige Haushaltsplanung, deren Erfolge erst viel später greifen, braucht jedenfalls kein Politiker zu hoffen. So stellt das vorläufige Ende der Chaostage von Washington nicht die historische Wende dar, die objektiv notwendig wäre. Denn auch wenn die USA jetzt sparen wollen, steigt doch ihre Schuldenlast von derzeit zehn Billionen Euro – das sind 10 000 Milliarden! – auf absehbare Zeit stetig weiter. Und wie sollte sich das auch ändern, wenn selbst die kompromissloseste Opposition am Ende beidreht? Wie kommt der Korken bloß wieder in die Flasche?

Dass Deutschland vor zwei Jahren eine Schuldenbremse in der Verfassung verankert hat, mutet inzwischen fast wie ein Wunder an. Dass eine so unbequeme Einsicht tatsächlich den Weg ins Grundgesetz finden konnte, spricht für das System. Möglich war das aber wohl nur unter einer großen Koalition, also nicht durch strategische Konfrontation, sondern in einer atypischen Zeit systematischen Konsenses. Heute jedenfalls wäre der Einigungswille zwischen Union und SPD, Bayern und Nordrhein-Westfalen ganz sicher viel geringer. Und genau an dieser überparteilichen Einsicht scheint es in Washington zu fehlen. Dass es nicht um die nächste Wahl geht, sondern dass die Bankenkrise, die folgende Rezession und die akute Schuldenkrise einen Wendepunkt markiert haben, dringt nicht hinreichend durch.

Es ist inzwischen schon eine Binsenweisheit, aber sie bleibt wahr: Der Wohlstand in der Welt verteilt sich neu, so wie im Laufe der Geschichte schon viele Male. Arme Länder werden reicher, reiche Länder werden ärmer. Die Regierenden in Washington, in Athen, Madrid, Rom und auch Berlin konnten diesen Trend lange mit neuen Schulden kompensieren; sie lebten, wie es so schön heißt, über ihre Verhältnisse. Um das auf solide Weise zu ändern, bleiben eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder fangen die entwickelten Länder an, sich einzuschränken, oder sie müssen wirtschaftlich überproportional erfolgreich sein.

Den zweiten Weg geht Deutschland dank seiner Exporte. Aber auch hierzulande ist trotz der herausragend guten Wirtschaftsdaten kein Platz für Hochmut. Der Aufschwung ist vor allem der Nachfrage aus China geschuldet und scheint sich obendrein gerade abzuschwächen. Der technologische Vorsprung, den viele deutsche Industrieunternehmen haben, lässt sich kaum bis in alle Ewigkeit halten. Und die Schuldenbremse ist kein Garant für eine richtige Politik. Auch sie wird sich aushebeln lassen, so, wie es gerade mit der Schuldengrenze in den USA geschah.

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