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Auf dem Oranienplatz ist ein Hüttendorf entstanden. Sollte eine Lösung gefunden worden sein, müssen die Bewohner den Platz jetzt räumen..

© dpa / Maurizio Gambarini

Einigung zum Flüchtlingscamp: Berlins Politik bringt sich am Oranienplatz in Sicherheit

Das „Einigungspapier Oranienplatz“ suggeriert eine Lösung – bringt aber auch neue Probleme. Denn das komplexe europäische Flüchtlingsproblem lässt sich nicht in Kreuzberg lösen. Bestenfalls rettet Integrationssenatorin Dilek Kolat die Berliner Politik von einer heiklen Situation zur nächsten.

Der Auftrag, den die Berliner Integrationssenatorin Dilek Kolat hatte, war kurz und klar: Sie sollte eine friedliche, freiwillige Räumung des von Flüchtlingen besetzten Oranienplatzes in Kreuzberg erreichen. Das „Einigungspapier Oranienplatz“, das sie jetzt, unterstützt von der früheren Ausländerbeauftragten Barbara John, mit einer Delegation der Flüchtlinge aushandeln konnte und das der Senat am Dienstag angenommen hat, ist im Gegensatz dazu unscharf und widersprüchlich. Es ist insofern der passende Ausdruck einer Mission Impossible, zu der sich die Senatorin aufgemacht hatte: Das komplexe europäische Flüchtlingsproblem lässt sich nicht am Oranienplatz lösen. Bestenfalls rettet Kolat die Berliner Politik von einer heiklen Situation zur nächsten, die ebenso sicher kommen wird wie die Enttäuschung vieler Campbewohner. Am Ende aller Enden kann auch Kolat das Recht nicht zugunsten der Flüchtlinge biegen; das aber wäre nötig, um diese zu befrieden.

Kolat ist das nicht anzulasten. Angesichts der disparaten Umstände, zu denen ungeklärte Verantwortlichkeiten aufseiten der Politik ebenso gehören wie unterschiedliche und teils unerfüllbare Forderungen der Flüchtlinge, ist allein schon das Zustandekommen eines solchen Papiers ein achtbarer Erfolg. Allerdings ist es sehr fraglich, ob es wirklich hilft, dem Ziel des Senats, der friedlichen, freiwilligen Räumung des Oranienplatzes sowie der ebenfalls besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule, näherzukommen.

Die Zweifel daran werden den Verantwortlichen geradezu eingehämmert – auch am Dienstag, dem Tag der vermeintlichen Einigung, wurde das Hüttendorf weiter befestigt. Offenbar fühlt sich mindestens eine der Flüchtlingsgruppen nicht angemessen beteiligt. Zudem ist im Einigungspapier keine Frist für die Räumung des Camps genannt.

Stattdessen enthält die Vereinbarung eine Zumutung der besonderen Art, die sich nahtlos einfügt in die Verantwortungsflucht der Berliner Politik. So heißt es bei Punkt 2: „Die Flüchtlinge organisieren selbstständig den Abbau aller Zelte bzw. Unterkünfte bis auf das Info- Zelt und wirken darauf hin, diesen Zustand dauerhaft zu erhalten.“ Mit anderen Worten: Diejenigen der Flüchtlinge, die hier verhandelt und unterzeichnet haben, verpflichten sich, eine Wiederbesetzung des Platzes durch andere Flüchtlinge zu verhindern. Was soll das werden? Eine staatlich verordnete Verteidigungsschlacht von Not gegen Elend? Da leistet der Rechtsstaat seinen Offenbarungseid, beurkundet durch einen Innensenator von der CDU. So ganz nebenbei, in einem Satzanhängsel, lässt die Unzuständigenrunde der Berliner Politik den Plumpsack jetzt mal eben hinter den Flüchtlingen fallen, die werden es schon nicht merken. Sollen die ihre Probleme doch gefälligst selber lösen!

Was das im Papier beschriebene weitere Verfahren betrifft, ist das politische Wohlwollen offensichtlich. Doch suggeriert es mehr, als sich verbindlich daraus ableiten lässt. Dilek Kolat will sich einsetzen für die Kernforderungen der Flüchtlinge, namentlich im Land Berlin, auf Bundesebene und auf europäischer Ebene. Das beschreibt den weiten Weg, der hier zu gehen ist. Das Einigungspapier ist allenfalls ein Schritt, und es ist nicht einmal klar, ob er in die richtige Richtung geht.

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