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Einspruch: Gläubige Lügner

Die Strafbarkeit der Holocaustleugnung ist ein stumpfes Schwert, das auch nicht zu schärfen ist.

Bei allem gegenwärtigen Entsetzen über Neonazis sollte man sich erinnern, dass es auch ältere Nazis gibt. Zwei haben vergangene Woche von sich reden gemacht, ein unbekannt gebliebener Kneipenbesucher, Jahrgang 1924, und der Piusbruder Bischof Richard Williamson, Jahrgang 1940. Als Letzterer wegen seiner Äußerungen zum Judenmord in Regensburg verurteilt wurde, versammelte er eine Riege greiser Claqueure, angeführt von der scheinbar unsterblichen Ursula Haverbeck, Jahrgang 1924, der Grande Dame der Holocaustleugnung in Deutschland, die sich zischelnd über die „Judennase“ von Williamsons Anwalt mokierte. Es gibt sie noch, die schlimmen Dinge.

Leider ist zweifelhaft geworden, ob diese Alten anders als durch ihr Verscheiden zum Schweigen zu bringen sind. Es hat sich wieder einmal gezeigt, die Volksverhetzung, die Strafbarkeit der Holocaustleugnung, ist ein stumpfes Schwert; schärft man es, droht es am Schleifgranit des Grundgesetzes zu zerspringen. Denn Meinungsfreiheit kann auch die widerlichste Geschichtslüge schützen – wenn sie denn in Gestalt einer Meinung daherkommt.

So war es bei dem Kneipengast, der seinem Wirt, weil er ihn für einen guten Zuhörer hielt, Druckwerke des „Kampfbundes gegen Unterdrückung der Wahrheit in Deutschland“ übergeben hatte. Den Inhalt kann man erraten. Statt sich bekehren zu lassen, zeigte der Wirt den Zecher an. Nun aber hat das Bundesverfassungsgericht in einem erst jetzt bekannt gewordenen Beschluss den Mann freigesprochen, weil seine Leugnung nur „Teil eines einleitenden Begründungsversuchs“ in der Debatte um Kriegsschuld sei. Darum sei es in den Aufsätzen primär gegangen. Vor diesem Hintergrund könne nicht einfach behauptet werden, der Kneipenbesucher habe falsche Gaskammer- Thesen „verbreitet“, wie es der Tatbestand der Volksverhetzung erfordert.

Hat Bischof Williamson etwas „verbreitet“, als er in die Kamera schwedischer TV-Journalisten in der Abgeschiedenheit des Priesterseminars Zaitzkofen den Satz sprach: „I believe there were no gas chambers“? In Schweden wäre das nicht strafbar. Das Oberlandesgericht Nürnberg hat den schon durch zwei Instanzen geführten Prozess gestoppt und auf Anfang gestellt. Erst einmal müsse die Anklage präziser werden, hieß es. So werde „nicht mitgeteilt, dass der Inhalt des Interviews tatsächlich veröffentlicht und in Deutschland auch bekannt wurde“. Nicht einmal das Internet als „Verbreitungsweg“ werde benannt. Die Ankläger gingen offenbar davon aus, jeder, der etwas in Gegenwart von Smartphones oder Kameras sagt, müsse wissen, dass es ins Netz gelangt. Ein Formfehler, heißt es nun. Das ist nicht die ganze Wahrheit. Strafgerichte, die es sich mit dem „Verbreiten“ allzu leicht machen, werden spätestens in Karlsruhe scheitern. Die angeklagten Altnazis werden es noch erleben.

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