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Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin. Sie war unter anderem Chefredakteurin von "impulse".

© Mike Wolff

Ein Zwischenruf zu den Grünen: Parole Mainstream

Die Grünen begeben sich auch in ihrem Kerngeschäft dahin, wo die anderen schon sind. Das macht sie nach allen Seiten regierungsfähig. Mehr nicht.

Die Grünen machen sich Hoffnung, bei den Europawahlen über zehn Prozent der Stimmen zu bekommen – und damit die große Enttäuschung der vergangenen Bundestagswahl zu heilen. Doch selbst wenn das gelingen sollte, sagt es nichts über das Potenzial der grünen Bewegung aus. Die Grünen werden nicht mehr wegen ihrer politischen Konzepte gewählt. Sie werden gewählt, weil sie den anderen so ähnlich geworden sind, nur in lieb. Sie tauschen Wählerstimmen gegen Unverwechselbarkeit. Gleichzeitig aber korrumpiert der Mainstream die grünen Positionen, er verändert den genetischen Code der Partei.

Zum Beispiel beim Thema Frieden. Seit langem war der Friede in Europa nicht so bedroht wie zurzeit. Doch Platz für eine neue, gar europäische Friedensbewegung gibt es bei den Grünen nicht. Sie sind so fest in das Lager der Putin-Kritiker eingebunden, dass sie keinen Funken Glaubwürdigkeit hätten, wenn sie jetzt gegen die Stationierung von Nato-Abfangjägern im Baltikum protestierten.

Dumm läuft es auch bei der Atomkraft: In Deutschland mag niemand am Atomausstieg rütteln, da können sich die Grünen kaum noch profilieren. Vom Export der deutschen Energiewende träumen die Klimaschützer hierzulande zwar fiebrig, doch die Ökopaxe der Nachbarländer heben warnend die Hand. „Redet nicht davon, wenn ihr unsere Wahlchancen nicht ruinieren wollt.“ Parole Mainstream: Das gilt nicht nur für die deutsche Partei, das gilt auch für deren Schwesterorganisationen in den anderen Ländern Europas.

Am überraschendsten aber trifft es die Grünen im Augenblick da, wo sie der Heimaterde am nächsten sind: im biologischen Landbau. Wegen der Energiewende sind Boden- und Rohstoffpreise gestiegen, gleichzeitig führt der Bioboom zu enormem Preisdruck bei den Biobauern. Konventionell Mais für Biogasanlagen anzubauen, lohnt sich heute mehr, als biologischen Dinkel für das Biosupermarktbrot zu ziehen. Erstmals seit den 90er Jahren kehren Biobauern zur konventionellen Landwirtschaft zurück. Die Grünen aber reagieren darauf genau so, wie jede andere Partei reagieren würde: Sie verlangen mehr staatliche Unterstützung.

Politisch begibt sich die Partei nun auch in ihrem Kerngeschäft dahin, wo die anderen schon sind. Das macht sie nach allen Seiten regierungsfähig. Doch selbst mit zehn oder zwölf Prozent kann man nicht regieren. Nur mitregieren.

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