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Anmaßend, selbstherrlich, beratungsresistent? Vielleicht, denn anders geht's nicht.

© dpa

Ein Zwischenruf zu Josef Ackermann: Ein Charakter wie dieser

Menschen, die bedeutend sind, verändern sich. Bei manchen kommt Hybris dazu. Das mag man bedauern. Doch ohne solche Menschen geht es nicht. Lehmschicht ist noch gefährlicher.

Über Josef Ackermann, den früheren Chef der Deutschen Bank, ist in dieser Woche ein Buch vorgestellt worden. Er habe oft nicht gewusst, wo er gerade aufwachte, heißt es darin. Ubiquitär war er, überall in der Welt, rastlos wie das Finanzkapital selbst. Nur selten arbeitete er an seinem Schreibtisch.

Wahrscheinlich könnte man für die Bundeskanzlerin dasselbe feststellen oder für die Chefin des Internationalen Währungsfonds. Können solche Menschen, die völlig isoliert von einer normalen Existenz sind, tatsächlich ein Unternehmen führen, ein Land regieren, das Finanzsystem überwachen? Es hört sich merkwürdig an, aber die Antwort lautet: ja.

Menschen, die bedeutend sind, verändern sich. Die meisten von ihnen werden anmaßend, selbstherrlich und beratungsresistent. Sie ertragen keine Kritik. Sie unterteilen ihre Welt in eine freundliche und in eine feindliche. Sie sortieren ihr Umfeld, ihre Mitarbeiter nach diesen Kategorien. Das geht Managern so, Politikern, offensichtlich auch Gewerkschaftschefs oder Bischöfen. Man nennt das Hybris, und Hybris ist natürlich brandgefährlich und ganz schlecht. Nur: Wenn es tatsächlich so schlecht wäre, warum sind dann so viele dieser vermeintlichen Zombies an der Macht? Warum werden sie durch ähnliche Typen ersetzt, wenn es doch einmal schiefgeht?

Die Wahrheit ist: Es ist gut, dass diese Menschen so sind, wie sie sind. Sie müssen so sein, um ihre Funktion für die Firma oder das Land erfüllen zu können. Sicher, sie machen sich verdächtig. Sie sind überall und nirgends. Sie haben Wohnungen, in denen sie nicht mehr wohnen, riesige Büros, in denen sie nicht arbeiten, Familien, die sie nicht mehr kennen. Kaum ein Thema, mit dem sie sich länger als 30 Minuten am Stück beschäftigen, keine Sache, die sie tief durchdringen. So sind die Leute, die über das Schicksal von Währungsunionen, Ländern oder Großunternehmen entscheiden.

Trotzdem geht es nicht ohne sie. Die meisten Unternehmen und Parteien sind ohne den Mann oder die Frau an der Spitze unfähig zu entscheiden. Sie ummauern sich mit Expertise, Studien und Ausschüssen. Es wird viel debattiert, aber nicht gehandelt. Der normale Mitarbeiter oder mittlere Manager will keinesfalls persönlich verantwortlich gemacht werden. Entscheidungen werden nach oben delegiert.

Die einzige Funktion der Nummer eins ist, diesen Stau aufzulösen. Was dieser Entscheidung zugrunde liegt – ob Wissen, Verstand, Gefühl, Größenwahn oder Genie – ist am Ende nicht so wichtig. Die Hauptsache ist, dass „ganz oben“ gehandelt wurde. Hybris ist gefährlich, ohne Frage. Aber Lehmschicht ist auf Dauer noch gefährlicher.

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