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Ein Zwischenruf zum …: …Kapitalismus

Angeblich steckt der Kapitalismus in der Krise. Doch die Aktien sind weltweit in der Nähe neuer Höchststände. Wie passt das zusammen?

Die Buchtitel dieses Frühlings schleudern einem die Krise des Kapitalismus entgegen. „Was man für Geld nicht kaufen kann“, heißen sie, oder „Ego“ oder „Wie viel Bank braucht der Mensch?“ In allen Büchern steht, dass das Zeitalter des Geldes zu Ende gehen und statt dessen das Zeitalter des verantwortlichen Wirtschaftens anbrechen muss. Wendet man aber den Blick vom Bücherregal weg auf die Aktienbörsen dieser Welt, dann muss man zugeben: Selbstbewusster als heute hat sich das Zeitalter des Geldes nie gezeigt.

Im öffentlichen Diskurs haben die Kritiker Oberwasser. Sie finden, dass man bestimmte Sachen nicht für Geld verkaufen soll. Dass es weniger und kleinere Banken geben müsste. Dass der Egoismus die Gesellschaften zerfrisst und man ihn daran hindern muss.

Aber die Aktien sind weltweit in der Nähe neuer Höchststände, so als gäbe es die Finanz- und Schuldenkrise nicht mehr, als sprudele die Konjunktur in den wichtigen Regionen der Weltwirtschaft über, als sei alles in Ordnung. Dabei ist der derzeitige Boom bei den Vermögenswerten kein Zeichen für die Rückkehr zur Normalität, er zeugt nicht von der Robustheit der Marktwirtschaft. Sondern er ist Ausdruck einer neuen Spekulationswelle bei Unternehmensanteilen, angefeuert von den Interventionen der Notenbanken, von zu niedrigen Zinsen, von unbegrenzter Liquidität. Er wird, wenn er zu Ende geht, eine Welt offenbaren, die versäumt hat, ihre Probleme zu lösen. Die Geldpolitiker versuchen, die Brandherde der Finanzkrise zu löschen, indem sie neues Feuer gelegt haben. Damit haben sie den Keim für die nächste Spekulationsblase gelegt, die im Augenblick die Aktien- und in Deutschland auch die Immobilienpreise treibt.

2007 lag der Dow Jones schon einmal über 14 000 Punkten, der Dax erreichte schon einmal die 8000. Genau da sind wir jetzt wieder. In der Tat, es ist eine Krise zu besichtigen. Die aber wird nicht in den gefühligen Büchern dieses Frühjahrs erklärt.

Der Kapitalismus ist nicht wegen seiner ethischen Blindstellen in Gefahr. Er ist in Gefahr, weil seine Befürworter nicht schnell genug lernen.

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