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Ein Zwischenruf zum …: …Totengedenken

Totensonntag ist heute. Das merkt man daran, dass der Weihnachtsmarkt zwar schon fix und fertig aufgebaut ist, aber noch nicht in Betrieb genommen werden darf.

Totensonntag ist heute. Das merkt man daran, dass der Weihnachtsmarkt zwar schon fix und fertig aufgebaut ist, aber noch nicht in Betrieb genommen werden darf. Aus Pietätsgründen. Totensonntag, das ist einer dieser merkwürdigen Gedenktage, die niemand braucht.

Tote gehören nicht mehr hierher, schon gar nicht kurz vor Weihnachten. Da kann es Totensonntage, Allerheiligen- und Allerseelenfeste und Buß- und Bettage (erinnert sich noch jemand daran, das war am vergangenen Mittwoch) hageln, wie es will. An die Toten zu denken und an die Ewigkeit, das klingt sonderbar in einem Land, in dem nur noch die Minderheit an die Ewigkeit glauben kann. Deshalb hat die Mehrheit auch keine Freude daran, über den Tod zu sinnieren. Wem die Ewigkeit, das Leben nach dem Tod, keine Option ist, der geht dem Tod doch lieber aus dem Weg, solange er kann. Zu Recht.

Das Hinausschieben der Toten aus dem Leben – genau das wollte der sittenstrenge Friedrich Wilhelm III. verhindern, als er seinem Volk 1816 nach den Befreiungskriegen den Totensonntag schenkte. Wer an die Toten denkt, bemüht sich tunlichst um ein gottgefälliges und ordentliches Leben, dachte der Monarch. Schade, dass sich diese Logik in einer durch und durch säkularisierten Welt ins glatte Gegenteil verkehrt.

Es ist schon so eine Sache mit den Toten. Vergessen will man sie ja nicht. Aber auf Kommando an sie denken? Und womöglich ein paar Tage vorher das Grab in Ordnung bringen müssen? Der unkomplizierte nette Onkel vererbt möglichst Bares und hat schon längst eine Stelle im Friedwald reserviert. Die tüddelige Tante dagegen, von der ein halbes Meissen-Service aus besseren Zeiten auf uns kommt, und dazu noch der Wunsch, unverbrannt im hölzernen Sarg auf dem Heimatfriedhof im Bergischen Land beigesetzt zu werden, macht sich posthum noch einmal unbeliebt.

Die evangelische Kirche, die den Totensonntag feiert, hat das erkannt – und reagiert. Sie nennt den Totensonntag jetzt Ewigkeitssonntag. Das macht es nicht besser. Der Tag wird erst dann funktionieren, wenn man ihn das sein lässt, was er ist: der letzte Sonntag im Kirchenjahr, bevor mit dem 1. Advent der neue Jahreskreis beginnt. Wer will und kann, soll an diesem Tag an die eigene Vergänglichkeit denken und an die, die uns im Tod vorausgegangen sind. Alle anderen sollen auf den Weihnachtsmarkt gehen dürfen.

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