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Meinung: Eiskalte Solidarität

Die Schlichtung wird teuer – vor allem für die Angestellten im öffentlichen Dienst

In den nächsten Tagen wird sich entscheiden, ob im öffentlichen Dienst von Mitte Januar an gestreikt wird oder nicht. Die Schlichter verbreiten ein bisschen Zuversicht, dass eine Einigung bis zum Wochenende möglich sei. Die Gewerkschaft Verdi unterstreicht ihre Streikbereitschaft, und die öffentlichen Arbeitgeber kehren noch einmal ihre Taschen um, um zu zeigen, dass sie nichts zu verteilen haben. Das gehört zum Ritual vor einer Verhandlungsphase.

Eine Gewissheit aber gibt es schon jetzt: Der Schlichterspruch wird voraussichtlich eine Erhöhung der Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst empfehlen, die teurer ist, als es sich Länder, Städte und Gemeinden leisten können. Trotzdem werden die Innenminister und Bürgermeister den Spruch wahrscheinlich akzeptieren – weil er unter drei Prozent liegt und weil sie die Machtprobe mit ihren Angestellten nicht riskieren, bloß um am Ende ein nur unwesentlich billigeres Ergebnis zu erzielen.

Bezahlen werden dafür zwei Parteien: die Steuerbürger und die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes selbst. Denn die Kassen des Staates sind so leer, dass es für eine ordentliche Gehaltserhöhung im öffentlichen Dienst im Prinzip nur zwei Geldquellen geben kann: Personalabbau oder eine weitere Erhöhung von Steuern und Abgaben, damit die Innenminister und Bürgermeister das Geld für die Gehälter hereinbekommen.

Versucht der Staat schon wieder, sich über steigende Müllgebühren, teurere Nahverkehrsscheine oder höhere Kindergartengebühren beim Bürger zu refinanzieren, wird weitere Kaufkraft in den Staatskonsum umgelenkt, wird der private Verbrauch geschwächt. Also werden Bund, Länder und Gemeinden anfangen, Personal zu entlassen, zu rationalisieren und zu privatisieren, anstatt die Leute wie bisher öffentlich-rechtlich aus dem Job herauszukuscheln.

Damit würde zwar einer der entscheidenden Vorteile von Arbeitsplätzen im Staatsdienst aufgegeben: die Jobsicherheit. Aber den öffentlich Bediensteten scheint das Gefühl ohnehin abhanden gekommen zu sein, dass sie für ihre relative Arbeitsplatzsicherheit einen Preis bezahlen müssen. Da ist es nur folgerichtig, wenn die Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst denen privater Arbeitgeber immer ähnlicher werden.

Jeder Metallarbeiter, jeder Chemielaborant, der in den vergangenen Jahren betrieblichen Bündnissen für Arbeit zugestimmt hat, hat sich schon einmal auf die Rechnung Arbeitsplatzsicherheit gegen Lohnverzicht eingelassen. Nur mussten die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes bisher nicht annehmen, dass tatsächlich einer Ernst macht damit. Lieber haben die öffentlichen Arbeitgeber Straßen verfallen lassen, Schwimmbäder geschlossen oder Schulen nicht gebaut, als dass sie ihren Beschäftigten einen Sonderweg zugemutet hätten.

Jetzt aber ist es so weit. Doch weigert sich Gewerkschaftschef Frank Bsirske immer noch, diese Rechnung zur Kenntnis zu nehmen und seiner Klientel offen zu legen. Er führt die Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes in eine Tarifauseinandersetzung, die die Metall- und Chemieindustrie in den achtziger und neunziger Jahren hunderttausende Arbeitsplätze gekostet hat. Sein zynisches Kalkül: Wer heute einen Job hat und Gewerkschaftsmitglied ist, wird als Letzte(r) vom Personalabbau getroffen.

Für ein Land, in dem gerade intensiv darüber nachgedacht wird, wie Arbeit erhalten und neu geschaffen werden kann, ist das eine erstaunlich kühle Rechnung.

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