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Meinung: Ende des Karottenföderalismus

Das Karlsruher Urteil zu Studiengebühren gibt Bund und Ländern einen klaren Rahmen für Reformen

Nun will also Otto Schily die Föderalismusreform retten – indem er vorschlägt (im Einvernehmen mit dem Kanzler, wie es heißt), dass der Bund sich künftig um Elitehochschulen kümmert, die Länder um den Rest. Das wirft Fragen auf. Gründet Schily nun eigene BundesUnis? Oder kauft die Bundesregierung der maroden Hauptstadt die Berliner Hochschulen ab? Oder etwas ernsthafter: Hat Schily das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom vorigen Mittwoch womöglich nicht zur Kenntnis genommen?

Die Karlsruher Richter haben im Studiengebührenurteil in scharfer Deutlichkeit dem Bund bildungspolitische Grenzen gesetzt. Hochschulpolitik ist in der Auslegung des Gerichts praktisch reine Ländersache. Der Bund habe sich hier zurückzuhalten. Der Tenor des Urteils passt nicht zu Schilys märchenhaftem Motto, dass die Guten ins Bundestöpfchen kommen, die weniger Guten ins Länderkröpfchen.

Der Plan des Bundesinnenministers soll wohl auch die Föderalismusreform gar nicht voranbringen. Zum einen ist er ein weiterer Versuch der Bundesregierung, eine fixe Idee am Leben zu erhalten: dass nur sie es ist, die Deutschlands marodes Bildungswesen vor dem Niedergang bewahren kann. Wie sagte doch SPD-Chef Franz Müntefering kürzlich: Allein die Länder seien schuld, dass Deutschland bei der Pisa-Untersuchung so schlecht sei.

Daher muss, soll das wohl heißen, Rot-Grün wie einst Bismarck die deutsche Kleinstaaterei auf Einheit trimmen. Das aber ist Politik für Lieschen und Fritz. Es ist symbolische Politik, mit großen Gesten und großen Summen. Wie schon beim Ganztagsschulprogramm will Rot-Grün so tun, als ob man die Sache jetzt mal richtig angehe. Es ist aber nur Aktionismus an der Verfassung vorbei. Und was das Geld angeht: Der Bund kann über die Steuerverteilung die Länder besser ausstatten, wenn er meint, Bildung sei unterfinanziert.

Aber das ist nicht die Art von Politik, die man in Berlin offenbar so gern hat, dass man sie durch keine Föderalismusreform verlieren will: das Kaufen der Länder, das Winken mit dem Scheinchenbündel, damit die Provinzen dies oder jenes mitmachen, das Hineinregieren in andere Ebenen. Eben jener Karottenföderalismus, den die im Dezember gescheiterte Kommission eigentlich abschaffen sollte durch Schaffung klarer Zuständigkeiten. Es wirkt wie eine ironische Kommentierung dieses reformbedürftigen Systems, dass Bremen sich nun beklagt, die vereinbarte Summe für sein Ja zur Steuerreform im Jahr 2000 vom Bund nicht bekommen zu haben.

Hier scheint ein weiterer Grund für Schilys Vorstoß zu liegen: Er ist das Signal, dass Rot-Grün an der Reform des Föderalismus kein Interesse hat. Es läuft doch wie geschmiert. Der Bund winkt jetzt mit Eliteförderung, und die Erfahrung lehrt, dass die Länder irgendwann auch in diese Wurst beißen. Das Spielchen soll weitergehen wie bisher. Allein: Das Spielchen ist vorigen Mittwoch vom Schiedsrichter in Karlsruhe abgepfiffen worden.

Das klare Urteil aus Karlsruhe könnte daher Anlass sein, die Föderalismusreform nochmals anzugehen. Vielleicht sogar etwas gründlicher, als es der Kompromiss letzterhand in der Föderalismuskommission vorsah. Und Karlsruhe hat mit seiner Auslegung der Zuständigkeitsvermutung für jene Politikfelder, auf denen Landes- wie Bundesgesetzgebung möglich ist, eine Richtschnur geliefert für die mögliche Abgrenzung der Kompetenzen. So hat das Gericht nicht etwa die Reform behindert, es hat – im Gegenteil – einen Anstoß geliefert.

Wird er nicht aufgegriffen, ist nach derzeitiger Verfassungslage mit weiteren Urteilen zu rechnen, die das Kompetenzgefüge zwischen Bund und Ländern neu ausrichten. Und zwar eher zugunsten der Länder. Dann reformiert eben Karlsruhe den Föderalismus. Dann wird eben von der kleinen, alten badischen Hauptstadt aus in Gang gesetzt, wozu die Politik in der großen Kapitale nicht in der Lage ist.

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