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Meinung: Endlich allein!

Was für eine FDP bleibt für Westerwelle übrig, wenn Möllemann weg ist?

Noch ist nicht klar, wie Möllemann aus der Politik ausscheidet, getrieben von der eigenen Partei, von selbst erwacht aus dem Irrwitz oder rechtskräftig verurteilt. Doch dass er am Ende seiner Möglichkeiten als FDP-Politiker ist, steht außer Frage. Auch politisch oft Totgesagte leben nicht ewig. Damit wird die Sicht frei auf das, was eine FDP ohne Möllemann sein könnte, ein Blick nicht zuletzt auf Guido Westerwelle.

Diese neue FDP zu sehen, fällt weniger leicht, als es deren Chef zurzeit gern suggeriert. Man muss wohl zurückgehen zu der Zeit, als der FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle zum heimlichen Parteivorsitzenden avancierte. Das war nach der verlorenen Bundestagswahl 1998. Drei Dinge hatte er begonnen: 1. Die Verjüngung der Partei durch sich und seine Altersgenossen. 2. Die programmatische Schärfung der FDP-Kontur, die in all den Jahren des Mitregierens durch altersmilde Liberale schwammig geworden war. 3. Die Integration des Intriganten Möllemann durch Zuspruch und Kooperation.

Im Jahr 1999 hat Westerwelle mit den beiden ersten Punkten schlechte Erfahrungen gemacht. Er musste feststellen, dass Verjüngung allein noch nicht zu einem Image-Wechsel der Partei führt, und dass er selbst zwar Säle füllt, aber nicht unbedingt Wahlurnen. Auch die programmatische Offensive, die er mit Klugheit und Mut begann, führte nicht zu den gewünschten Erfolgen. Die FDP machte bei Landtagswahlen kaum Boden gut. Westerwelle hat das nicht verstanden und wurde ungeduldig. Er suchte nach einem Dreh, wie sich die Partei jenseits von Programmatik und seriöser Oppositionspolitik nach vorn bringen lässt.

Zunächst versuchte er es mit der Verschärfung seiner persönlichen Performance, er vervielfältigte sich in allen Talkshows, auch unwichtigen und abseitigen. Das war nicht mehr zu steigern, genügte jedoch immer noch nicht für einen Bundestagswahlkampf. In dem Moment, im Mai 2000, holte Möllemann mit einer unseriösen und großsprecherischen Kampagne in Nordrhein-Westfalen knapp zehn Prozent. Dieser Erfolg hat dann auch Westerwelle besoffen gemacht. Er vergaß, dass Möllemann im Kern unzuverlässig ist. Er verdrängte die schlichte Erkenntnis, dass dieser Sieg weniger auf Möllemanns Methoden als auf die Spendenaffäre der CDU zurückzuführen war.

Danach ließ sich Westerwelle davon überzeugen, dass eine großsprecherische und im Kern unseriöse Kampagne, und nur sie, auch im Bundestagswahlkampf Erfolg bringen könnte: 18-Prozent, Kanzlerkandidat, keine Koalitionsaussage. Erst mal auf dem Trip, brauchte er im vergangenen Mai gefährlich lange, bis er gegen die antisemitischen Äußerungen vorging, mit denen Möllemann die 18-Prozent-Strategie hochjazzte. Westerwelle wollte ihn weiter integrieren und, was schlimmer ist, von dessen Politik aus dem Darkroom zunächst profitieren. Erst seine Reise nach Israel hat ihm klargemacht, dass es eine Welt außerhalb der blaugelben Autosuggestion gibt. Und auch danach benötigte der FDP-Chef noch einige Zeit, ehe er feststellte, dass Möllemann nicht integrierbar ist – bis zu dem ominösen Flugblatt.

Vor diesem politisch-psychologischen Ablauf fällt am Politiker Westerwelle folgendes auf: Er glaubte Möllemann zu sehr; nicht sein Wertekompass warnte ihn vor dessen antisemitischer Politik, sondern erst der öffentliche Druck; und er glaubte zu wenig an die Erfolgsaussichten einer seriösen, inhaltlichen FDP. Wahrscheinlich aus Ungeduld. Die von ihm angestoßene programmatische Erneuerung verlangte Zeit, um zu wirken. Diese Zeit gab Westerwelle sich nicht. Heute ist offensichtlich: Ohne den 18-Prozent-Zirkus, nur mit einer liberalen Politik hätte die FDP am 22. September auch nicht weniger Stimmen bekommen. Sie hätte sich allerdings die Pervertierung ihres inneren Kerns erspart. Und Westerwelle wäre nicht mitverantwortlich für die tiefste moralische Krise der FDP seit dem Krieg.

Was also ist eine FDP ohne Möllemann und ohne Möllemannismus? Das, was sie vor dem Amtsantritt Westerwelles auch war – ein liberales Korrektiv. Mit einem Unterschied allerdings: Das Land brauchte dieses Korrektiv nie so sehr wie heute.

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