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Solardächer in einer Siedlung in Fürstenfeldbruck.

© dapd

Energiehunger in aller Welt: So wird Deutschlands Energiewende zum Schildbürgerstreich

Mit der Energiewende soll Deutschland zum Vorbild für andere werden. Im Ausland interessiert das niemanden. Weltweit verschärft sich der Kampf um Öl und Gas. Niemand sollte glauben, Deutschland bliebe durchs Aufstellen weiterer Solardächer und Windräder von diesem Konflikt verschont. Jetzt muss eine große Lösung her.

Es ist eine kleine Übung für alle deutschen Landesfürsten und sonst alle, die sich für das Projekt Energiewende interessieren: Zunächst versuche man – nur drei Minuten lang – den Kopf freizubekommen von Statistiken, Ranglisten, Fördertöpfen, Positionspapieren. Dann stelle man sich vor eine Weltkarte und suche den Flecken Erde, für den man Verantwortung trägt. Und dann beantworte man nur eine Frage: Was können wir tun, um unsere Scholle und auch die unserer Nachbarn sauberer, sicherer, wohlhabender, schlicht lebenswerter zu machen?

Windräder und Solardächer aufstellen, überall zwischen Freiburg, Cuxhaven und Neuruppin. Ist das die beste Antwort? Sie muss es sein, glaubt man Grünen wie Winfried Kretschmann, Roten wie Matthias Platzeck oder Schwarzen wie David McAllister. Anders kann man nicht erklären, warum die drei Ministerpräsidenten dieser Tage beim Energiegipfel im Kanzleramt ihre jeweiligen Ausbauziele für erneuerbare Energien so hart verteidigten, warum sie einem nationalen oder gar europäischen Energiekonzept nur zustimmen wollen, sofern das ihr Wettrennen um die obersten Plätze in den Ökostromranglisten nicht gefährdet.

Unmöglich, dass sie das große Ganze im Blick gehabt haben. Das aber wäre nötig, soll der Umbau des Energiesystems nicht zum größten Schildbürgerstreich der Geschichte werden. Mit der Energiewende könne Deutschland zum Vorbild für andere werden, hieß es oft. Stimmt. Dieses Land kann, muss aber nicht, und es wird auch nicht Vorbild, sollten Verbraucher verarmen, weil das Förderregime weiter Anreize bietet, Solardächer in Hamburg aufzustellen und Schwarzwaldberge zu verspargeln. Und es interessiert hinter Rhein und Neiße niemanden, ob Deutschland Vorbild ist oder wird.

Denn die Welt steht vor einem tief greifenden Wandel bei der Energieversorgung. Und für diesen Wandel ist Deutschland nicht Vorbild, wie die Prognose der Internationalen Energieagentur bestätigt: China und Indien werden noch viel mehr Öl, Kohle und Gas verbrennen als heute, um den legitimen Energiehunger ihrer Bevölkerungen zu stillen. Die USA dürften wohl noch unter Präsident Obama zum größten Ölförderland der Welt aufsteigen und bald erstmals in ihrer Geschichte unabhängig von Öl- und Gasimporten aus dem Ausland werden.

Für die USA gibt es künftig zumindest keinen ökonomischen Grund mehr, sich in fernen Weltregionen politisch oder gar militärisch zu engagieren. Kein Grund zur Freude: Denn für China, Indien, Japan und die EU steigt die Abhängigkeit von ausländischen Rohstoffen stetig und damit der Druck, sich Zugriff auf diese zu sichern. Es wird so kommen, da mag Umweltminister Peter Altmaier noch so kuschelig einen nationalen Energiekonsens herbeimoderieren.

Dieses Land, seine Länder und Kommunen, jeder Einzelne sollte sich von der romantischen Vorstellung verabschieden, man könne sich durch weitere Solardächer oder Windräder hierzulande von dem globalen Irrsinn abkoppeln – und noch das Klima retten. Es gilt, den Blick aufzumachen für Europa und die Welt. Es wird Zeit, die unmittelbare Kontrolle über Energieerzeugung abzugeben. Wir sollten statt dessen zahlen für Solardächer in Spanien und Nordafrika, für dänischen Wind, bulgarische Biomasse, auch weiter für Gas aus Russland. Und darauf vertrauen, dass die Nachbarn uns mit sauberer und bezahlbar erzeugter Energie versorgen. Das wäre die globale – und richtige – Antwort.

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