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Energiewende: Deutschland darf nicht zur Lachnummer werden

Die Energiewende bringt grundlegende Veränderungen bei der Stromversorgung - und nicht nur da. Würde das Projekt scheitern, wäre das eine furchtbare Blamage.

Die Energiewende wird nicht scheitern. Erstens findet sie seit Jahren von unten statt. Zehntausende Menschen haben Fotovoltaikanlagen auf ihre Dächer montieren lassen oder ihr Geld in Windparks angelegt. Sie alle werden die Energiewende weiter antreiben – egal wer regiert.

Zum Zweiten wäre ein Scheitern des Projekts international eine so große Blamage, dass jede Regierung alles daransetzen wird, das zu vermeiden. Wenn die Energiewende scheitert, kann keine deutsche Regierung mehr beim Euro oder irgendeiner anderen Frage von Belang den Kurs vorgeben. Deutschland wäre eine Lachnummer.

Dabei ist die Ablösung des öl- und kohlebasierten Energiesystems durch erneuerbare Energien kein Kinderspiel. Und es führen mindestens hundert Wege irgendwie ans Ziel. Über diese Pfade, Weggabelungen, Sackgassen und Irrgärten diskutiert die deutsche Öffentlichkeit seit Wochen mit dem Tenor: Die Energiewende wird scheitern.

Alle, die ihr altes Geschäftsmodell verteidigen, greifen begierig jeden Zweifel oder Selbstzweifel auf und versuchen das ganze Projekt infrage zu stellen. Für jedes Detail gibt es Lobbyisten, die einen Teil des Bundestags, der Wirtschaft oder der Regierung auf ihre Seite ziehen können; und für jedes Detail gibt es eine Alternative.

In diesem Wirrwarr ist leicht zu übersehen, dass die großen Linien vor einem Jahr beschlossen worden sind. Der Kurs ist klar und eindeutig: Bis 2050 wird Deutschland ein Viertel weniger Strom verbrauchen als 2008, und dieser Strom wird zu mindestens 80 Prozent aus Wind- und Solarstrom kommen oder aus Wasserkraft, Erdwärme oder Biomasse erzeugt worden sein. Bis 2020 soll der Stromverbrauch um zehn Prozent sinken und der Anteil erneuerbaren Stroms auf 35 Prozent steigen.

Während das Ausbauziel vermutlich sogar übertroffen wird, sind die Einsparziele schwieriger zu erreichen. Es gibt wenige erprobte Konzepte dafür und zudem einen Wirtschaftsminister, der Energieeffizienz oder gar -einsparung für eine Wachstumsbremse hält.

Manche trauern den Laufzeitverlängerungen hinterher

Womit wir bei den Bremsern wären. Das Wirtschaftsministerium war schon immer im Griff der wirtschaftsnahen Lobbys und steht traditionell unter dem Einfluss der großen Energiekonzerne. Diese haben naturgemäß kein großes Interesse am Umbau eines Stromversorgungssystems, an dem sie jahrzehntelang gut verdient haben. In der Unionsfraktion gibt es nach wie vor Abgeordnete, die eine umweltverträgliche Wirtschaft für Unsinn halten und ihrem Triumph in Sachen Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke weiterhin nachtrauern.

Darüber hinaus gibt es die Wirtschaftsverbände, die feststellen müssen, dass sie Modernisierungsverlierer vertreten, die bisher mächtig und stark waren, und gleichzeitig Modernisierungsgewinner in ihren Reihen haben, die immer stärker werden und ganz andere Interessen vertreten. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat beim Petersberger Klimadialog richtig angemerkt, dass Veränderungen in Deutschland immer erst einmal Angst auslösen. Deshalb strebt Umweltminister Peter Altmaier bis Jahresende einen „Konsens über die Energiewende“ an.

Es gibt tatsächlich ein paar Grundsatzentscheidungen, die in diesem Herbst getroffen werden müssen. Dazu zählt die Frage, wie umfassend der Netzausbau ausfallen wird. Die Antwort wiederum hängt davon ab, wie dezentral oder zentral die künftige Stromversorgung aussehen soll. Zudem müssen konkrete Schritte zum Stromsparen, zur Erhöhung der Energieeffizienz und einer Beschleunigung der Gebäudesanierung getroffen werden.

Denn all das macht die Energiewende im Ergebnis preiswerter. Doch die mindestens hundert anderen Fragen müssen und können nicht sofort geklärt werden. Deutschland betritt mit der Energiewende Neuland. Nicht jeder Versuch wird ein voller Erfolg werden. Nicht jedes Gesetz wird funktionieren.

Doch das ist kein Zeichen für ein Scheitern der Energiewende, sondern der Normalfall. Die Energiewende ist wie das richtige Leben – manchmal macht man Fehler, manchmal verirrt man sich, aber am Ende lockt das Ziel.

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