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Horst Seehofer, mit dem Karl-Valentin-Orden.

© dpa

Energiewende: Seehofer schäumt über

Der bayerische Ministerpräsident schürt Zweifel an der Energiewende. Man sollte sie nicht einfach nur abtun. Auch wenn Bayern zu den Gewinnern des Großprojekts zählt.

Horst Seehofer lässt’s gern schäumen. Das gehört zum Marketingkonzept der CSU. Man kann dann mitschäumen, wie es die SPD nun tut, dann hat man eine saftige Debatte, was die CSU immer gern hat. Oder man schäumt nicht mit, wie die Kanzlerin, die ihren Horst ja schon lange kennt und ihre CSU auch.

Freilich sollte man Seehofers Bedenkenträgerei nicht einfach wegwischen als öde Wahlkampfnummer. Die Energiewende ist ein technokratisches Projekt, das durchgesetzt werden muss. Wer hier die demokratische Seite vernachlässigt, hat möglicherweise in einigen Jahren ernsthaftere Probleme als heute – denn wie bei allen Zukunftsprojekten liegt das Problem der Energiewende darin, dass man zwar einen schönen Plan hat, aber eben nicht weiß, ob der auch exakt so hinhaut, wie man sich das ausmalt. Die Energiewende ist zudem ein Großprojekt, das nicht rein nach Schema F vorangetrieben werden kann, sondern das im Entstehungsprozess gestaltet, also gegebenenfalls auch verändert werden muss. Wer hier als Politiker gelegentlich Zweifel streut, der macht das, was jeder tut, der nicht so intensiv an das Gelingen von Plänen glaubt wie andere. Er sichert sich ab. Das nützt dem Ganzen insofern, als die Strenggläubigen dann erst recht gefordert sind, ihr Projekt hinzubekommen.

Als rein zentralistisches Projekt ist die Energiewende nicht zu stemmen. Es gibt ganz unterschiedliche regionale und kommunale Interessen, ökonomisch wie ökologisch, die man gutheißen oder verdammen kann, die aber Teil der Energiewende sind – und sich nicht einfach technokratisch wegentscheiden lassen. Ein Ministerpräsident Torsten Albig in Kiel vertritt daher das Interesse seines Landes als Windstandort nicht weniger massiv als Seehofer das bayerische Interesse, das Interesse  eines Industriestandorts, der in erster Linie ein Stromverbraucher ist. Das gilt auch für Winfried Kretschmann in Stuttgart oder Hannelore Kraft in Düsseldorf.

Die Energiewende ist eine immense Herausforderung - für die bundesstaatliche Koordinierung im Großen, für die technische wie demokratische Umsetzung in den Regionen, Landkreisen, Gemeinden im Kleinen. Zumal sie wegen der Subventionierungspraxis auch noch Gewinner und Verlierer produziert. Bei den Stromkunden ebenso wie zwischen den Ländern. Das wohlhabende Bayern gehört da übrigens zu den Gewinnern. Nicht zuletzt dank vieler privater Sonnenkollektoren fließt mehr Geld aus der EEG-Umlage ins Land als dort bezahlt werden muss. In NRW ist es umgekehrt. Diese regionale Umverteilungswirkung gehört auch zur Wahrheit der Energiewende, die Seehofer nicht ganz unerwähnt lassen sollte, wenn er jetzt seinen Kommunalwahlkampf bestreitet.

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