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Meinung: Ente à la de Gaulle

Europa schrumpft: Warum eine Union aus Frankreich und Deutschland keine Lösung ist

Es ist ein auf Atomgröße geschrumpftes Kerneuropa, das Frankreichs neuer Regierungschef Dominique de Villepin in seiner Regierungserklärung vorgeschlagen hat: Eine deutsch-französische Union in „bestimmten, ausgewählten Bereichen“.

Villepin sieht das als eine Rückfallposition, wenn das Europa der 25 scheitern sollte. Tatsächlich handelt es sich aber um das Eingeständnis, dass das gaullistische Europaprojekt von Jacques Chirac nach dem „Non“ der Franzosen zur EU-Verfassung gescheitert ist. Jene vom Irakstreit beflügelte Idee, Paris könne die EU im Bunde mit Berlin zu einer globalen Gegenmacht zu den USA aufbauen ist mit dem Referendum obsolet geworden.

Dass Frankreich von einem Tag auf den anderen vom Kern an den Rand der EU katapultiert wurde, ist eine Katastrophe für die politische Elite des Landes. Die hatte seit de Gaulle geglaubt, Frankreich könne mithilfe Europas mehr Einfluss in der Welt gewinnen. Die enge Partnerschaft zwischen Chirac und Schröder in den letzten Jahren hat dieser Vision noch einmal Auftrieb verschafft. Chiracs Wort von der multipolaren Welt meinte ja nichts anderes, als dass ein von Frankreich und Deutschland geführtes Europa mit den in der EU-Verfassung verankerten neuen Instrumenten der Außen- und Sicherheitspolitik zu einem globalen Rivalen Amerikas werden sollte.

Es ist gut für Europa und für die transatlantischen Beziehungen, dass diese Vision nun ein Ende hat. Die Vorstellung von der Gegenmacht Europa war von Anfang an eine gefährliche Selbstüberschätzung. Nicht ohne Grund gab es dafür schon vor dem französischen „Non“ keine Mehrheit unter den EU-Staaten. Und es kann auch nicht im Interesse Deutschlands sein, diese Idee in der Zwergenform einer deutsch-französischen Union wieder aufleben zu lassen.

So ist es in gewisser Weise ein Glücksfall für Europa, dass Schröder und Chirac im selben Moment zur lame duck werden. Es gibt dem Kontinent die Möglichkeit, sich neu zu positionieren. Das heißt vor allem: Das Verhältnis zu den USA zu überdenken. Denn auch dort ist man inzwischen schlauer geworden als noch zu Zeiten des kraftstrotzenden Unilateralismus vor und unmittelbar nach dem Irakkrieg. In der Iranfrage ist Washington inzwischen auf den Kurs Europas eingeschwenkt. Und bei den Konfliktthemen wie der Aufhebung des EU-Waffenembargos war zu beobachten, dass die Bush-Regierung nun auf Überzeugung statt auf Überwältigung setzt und den Dialog mit dem Kontinent auf allen Ebenen intensiviert hat.

Es ist an der Zeit, dass Europa sich wieder über einige grundlegende Bedingungen seiner Außenpolitik klar wird. Etwa, dass trotz aller berechtigten Kritik an Amerika die Schnittmenge an gemeinsamen Werten und Interessen mit den USA weit größer ist als mit irgendwelchen anderen globalen Akteuren, sei es nun Russland oder China. Und dass die westlichen Demokratien viel in der Welt bewegen können, wenn sie miteinander und nicht gegeneinander agieren. Man erinnere sich nur an die europäisch-amerikanische Unterstützung für die orangene Revolution in der Ukraine oder wie schnell es Franzosen und Amerikanern gelungen ist, Syrien zum Rückzug aus Libanon zu bewegen.

Die US-Regierung hat darauf verzichtet, den Bankrott der französischen EU-Politik mit triumphalistischen Sprüchen zu kommentieren. Zwar ist man in Washington erleichtert, dass die französische Idee von Europa gescheitert ist. Aber die Europaexperten in Washington sind gleichzeitig besorgt, dass der Kontinent sich nun damit beschäftigt, seine Wunden zu lecken anstatt zu einem Partner aufzusteigen, der gemeinsam mit den USA globale Verantwortung übernimmt.

Deutschland hat sich im Irakkrieg von Amerika emanzipiert und sehr eng an Frankreich angebunden. Jetzt wäre es an der Zeit, sich von Frankreich zu emanzipieren und das transatlantische Verhältnis auf eine neue, nüchterne Basis zu stellen. Das Pariser Angebot einer deutsch-französischen Union führt da in die falsche Richtung.

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