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Meinung: Entschädigung für Zwangsarbeiter: Gefangen im Teufels-Dreieck

Es fällt schwer, die Wut zu unterdrücken, nicht von "Schande" zu sprechen oder von "Würdelosigkeit". Im Blick auf die Überlebenden, die täglich sterben, ohne einen Pfennig an später symbolischer Wiedergutmachung gesehen zu haben, scheint jedes Maß an Empörung berechtigt.

Es fällt schwer, die Wut zu unterdrücken, nicht von "Schande" zu sprechen oder von "Würdelosigkeit". Im Blick auf die Überlebenden, die täglich sterben, ohne einen Pfennig an später symbolischer Wiedergutmachung gesehen zu haben, scheint jedes Maß an Empörung berechtigt. Der Zorn braucht Klarheit, um sich artikulieren zu können. Also muss einer die Schuld tragen an dem Gezerre um die Zwangsarbeiter-Entschädigung. Eine Seite muss versagt haben in dem Dreieck USA-Bund-Wirtschaft.

Aber welche? Da ist zum einen die US-Regierung. Ihr gelingt es offenbar nicht - entgegen der Abmachung -, die Gerichte davon zu überzeugen, anhängige Verfahren einzustellen und neue Klagen abzuweisen. Das aktuelle Beispiel ist die Sammelklage gegen deutsche Banken in New York. Als Zweites ist da der Bund. Der zuckt ratlos mit den Schultern: Ausgezahlt werden darf erst, nachdem das deutsche Parlament Rechtssicherheit festgestellt hat. Das wiederum geht nur, wenn die Verfahren in den USA eingestellt wurden. Und als Letztes schließlich die deutsche Wirtschaft. Sie hat sich zur Zahlung von fünf Milliarden Mark verpflichtet, von denen sie nur 3,6 Milliarden zusammenbekommen hat. Insbesondere der Mittelstand ist säumig. Außerdem hält die deutsche Wirtschaft das Geld trotzig zurück, weil sie auf Rechtssicherheit pocht. Wir warten aufs Geld, rufen die einen. Wir warten auf Rechtssicherheit, brüllen die anderen.

Dieses Knäuel muss schleunigst entzerrt werden. Und da ist als Allererstes die deutsche Wirtschaft gefragt. Es war immer klar, dass es vollkommene Rechtssicherheit nicht geben kann. Das hat der Bundesbeauftragte Otto Graf Lambsdorff seit dem ersten Tag seines Engagements betont. Jetzt die Rechtssicherheit zur Conditio sine qua non zu machen, ist schlichtweg unangemessen, ja frech. Außerdem hat die deutsche Wirtschaft durch ihr Verhalten bei den Entschädigungsverhandlungen dazu beigetragen, dass ihr keiner mehr so recht vertraut. Kann man es der 78-jährigen New Yorker Richterin wirklich verübeln, dass sie das letzte Druckmittel, das sie zu haben glaubt, nicht ohne Gegenleistung aus der Hand geben will? Andererseits hätte die Richterin die Klage unter Vorbehalt abweisen können. Auch sie hat den Bogen überspannt.

Die Zeit drängt. In drei Wochen ist der Kanzler zum Antrittsbesuch in Washington. Bis dahin muss die deutsche Wirtschaft eine überzeugende Geste ihres Entgegenkommens ausgesandt haben. Es muss ein Zeichen sein, das nicht missverstanden werden kann. Andernfalls wird Schröders Visite von einem einzigen Thema beherrscht. Daran dürfte weder er ein Interesse haben, noch werden es die exportorientierten bundesdeutschen Unternehmen wollen.

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