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Meinung: Er geht aufs Ganze

Von Christoph von Marschall

Versteh’ noch einer diesen Tony Blair! Während mehrere Staaten in Bushs Kriegskoalition sich langsam auf den Abzug ihrer Truppen aus dem Irak einstellen, will der britische Premier nun auch noch Soldaten aus dem vergleichsweise ruhigen Süden in die Kampfgebiete weiter nördlich verlegen, um den Amerikanern auszuhelfen. Er stößt damit abermals viele in seiner LabourPartei vor den Kopf und erhöht das Risiko, dass Tote heimkehren.

In Deutschland können ihm die meisten schon lange nicht mehr folgen. Viele mögen ihn – so sehr, dass sie ihm selbst den Fehler der Teilnahme am Irakkrieg vielleicht verzeihen würden, wenn er ihn nur endlich einsähe und auf Distanz zu Bush ginge. Aber dem hilft er jetzt auch noch im Wahlkampf und schmettert den Wunsch seiner Labour-Kollegen nach einer Parlamentsabstimmung über die Truppenverlegung ab. Ist das nicht undemokratisch?

Großbritannien hat freilich eine ganz andere Tradition der Parlamentsbeteiligung – und Blair eine andere Logik. Über Kriege stimmt das Parlament ab, nicht aber über einzelne Einsätze. Und in dieser altehrwürdigen Demokratie hat die Regierung es in der Hand, gewünschte Abstimmungen abzulehnen. Blairs Logik ist knallhart: Er findet den Irakkrieg bis heute richtig, da muss er auch alles tun, um die Intervention zu einem guten Ende zu bringen. Manche Kriegsgründe haben sich als falsch herausgestellt, aber da bleibt immer noch der Sturz einer brutalen Diktatur – und die Aufgabe, den Irak zu stabilisieren.

Wenn dieser Erfolg an manchen Orten gefährdet ist, dann reicht es nicht, im relativ ruhigen Basra zu sitzen und den Amerikanern und ihren Problemen aus der Ferne zuzusehen – bis sie womöglich scheitern. Dann müssen die Briten sie entlasten, um ein böses Ende zu verhindern. Im Übrigen sind die Briten der Überzeugung, auch wenn sie das taktvollerweise nicht so offen aussprechen, dass sie klüger mit den Schwierigkeiten im Irak umgehen als die Amerikaner. Gewiss, sie haben auch den leichteren Part im schiitischen Süden, aber sie trauen es sich auch zu, die Unruhegebiete in der amerikanischen Zone besser in den Griff zu bekommen. Sie schöpfen aus dem langen kolonialen Umgang mit Stämmen und Gepflogenheiten im Zweistromland. Und ihre Soldaten haben praktische Erfahrungen mit der Befriedung einer latent feindlichen Umgebung: aus Nordirland.

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