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Meinung: Erbe ist auch Bürde

Von Bamijan nach Köln: Der Dom bleibt Kulturerbe – und die Welt schaut hin

Das Aufatmen der Kölner Stadtväter muss weithin zu hören gewesen sein – bis ins südafrikanische Durban, wo das Welterbe-Komitee der Unesco über den Status des Kölner Doms zu befinden hatte. Welterbe seit 1996, war er im vergangenen Jahr wegen der Hochhauspläne der Stadt auf die „rote Liste“ des gefährdeten Erbes strafversetzt worden und drohte, nunmehr ganz aus dem Verzeichnis gestrichen zu werden.

Diese, noch nie zuvor angewendete, letzte Konsequenz unterblieb zwar, doch unter strengen Auflagen, die die Stadt Köln bis zum kommenden Jahr erfüllen muss. Für Köln, aber zugleich für alle mittlerweile 30 deutschen Welterbestätten muss es eine überraschende Erfahrung gewesen sein, das Experten aus aller Herren Länder sich mit einem Mal intensiv der Erfüllung der Schutzverpflichtungen annehmen, die mit der Annahme des begehrten Welterbestatus verbunden sind. Nicht allein in Deutschland, sondern im kulturgesättigten Europa überhaupt glaubte man bislang, das Welterbe-Prädikat eher nur als tourismusförderndes Warenzeichen vermarkten zu können. Mit strenger Miene geblickt wurde stattdessen auf die Länder der Dritten Welt, die ihre Kultur- und Naturstätten nicht angemessen schützen können, bei denen Vandalismus oder Bürgerkrieg herrschen – kurzum, bei denen die Alte Welt glaubt Aufsicht führen zu müssen.

Das stimmt vielfach – und ist doch so etwas wie verspäteter Kolonialismus. Im Zeichen der Globalisierung gibt es das früher behauptete kulturelle Gefälle von Erster zu Dritter Welt nicht mehr. Die Folgewirkungen der universalen Erbe- Liste sind ihrerseits universal. Sie gilt und wirkt weltweit. Kaum eine halbwegs intakte Altstadt, kaum ein Schloss oder Naturpark, dessen Träger nicht begehrlich nach dem Welterbestatus schielen. 788 solcher Stätten sind bislang ausgezeichnet, 42 weitere drängen in Durban hinzu, und jedes Jahr sieht eine vergleichbare Antragsflut. Finanzhilfen sind mit dem Welterbestatus nicht verbunden – wohl aber strenge Auflagen, was die Erhaltung der erwählten Stätte angeht. Am allerwenigsten bedacht worden zu sein scheint die völkerrechtliche Folgewirkung.

Die Welterbe-Liste entspringt der Unesco-Konvention zum „Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“ von 1972, die von mittlerweile 180 Staaten ratifiziert wurde und damit als eines der weltumspannendsten Übereinkommen des Völkerrechts überhaupt gelten darf. Ob Hochhäuser nahe dem Kölner Dom gebaut werden dürfen, ist nicht länger eine Frage lokaler Kirchturmpolitik. Es ist eine vor der Völkergemeinschaft eingegangene Verpflichtung, das vom Welterbekomitee ausgezeichnete Objekt zu schützen, zu pflegen und für künftige Generationen zu erhalten.

Als die afghanischen Taliban im Jahre 2001 die Buddha-Statuen von Bamijan in die Luft sprengten, erregte sich eben diese Völkergemeinschaft – zu Recht. Es war eine Geste der Solidarität, die unwiederbringlichen Statuen nachträglich als Welterbe zu klassifizieren, weil eine afghanische Regierung dies wegen des jahrzehntelangen Bürgerkriegs nie hatte beantragen können. Deutschland kann es; seinerzeit für Köln und in diesem Jahr für den Limes. Mit allen Konsequenzen: Die Welt schaut auf Köln – und macht Ansprüche geltend. Der Dom ist eben Teil des universalen Patrimoniums. Es reicht von Afghanistan bis an den Rhein.

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