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Meinung: Erbschaftssteuer: Erstmal Pause

Ach, wie war das Geschrei vor wenigen Wochen doch groß. Die Sozialdemokraten wollten der Oma ihr Häuschen wegnehmen, hieß es da empört.

Ach, wie war das Geschrei vor wenigen Wochen doch groß. Die Sozialdemokraten wollten der Oma ihr Häuschen wegnehmen, hieß es da empört. Der Hintergrund: ein paar norddeutsche, SPD-regierte Länder hatten einen Gesetzentwurf vorgelegt und wollten die Erbschaftssteuer für Immobilien leicht erhöhen. Das Verfassungsgericht hatte die Neuregelung erzwungen, weil Immobilienbesitz beim Erben gegenüber Geldbesitz deutlich bevorzugt wird. Der Gesetzentwurf hatte also durchaus seinen Sinn. Und an das Einfamilienhaus, das vererbt wird, wären die sozialdemokratischen Länderfinanzminister auch nicht rangegangen. Schließlich gibt es Freibeträge, die sich bei einem Ehepaar mit Kindern leicht auf zwei Millionen Mark summieren können.

Sechs Milliarden Mark bringt die Erbschaftssteuer Jahr für Jahr in die Kassen der Länder. 500 Millionen Mark mehr wären es gewesen, wenn die Pläne Niedersachsens, Schleswig-Holsteins, Mecklenburg-Vorpommerns, Hamburgs und Sachsen-Anhalts Wirklichkeit geworden wären. Keine Größenordnung, die der wohlhabenden Erbengeneration Angst vor dem Gespenst des Sozialismus hätte machen müssen.

Nun ist das Thema bis Ende 2002 erst einmal ganz vom Tisch. Der derzeitige Rechtszustand wird um zwei Jahre verlängert. Der Kanzler wollte es so. Nichts möchte Gerhard Schröder weniger als ausgerechnet im Jahr der Bundestagswahl eine Debatte um Steuererhöhungen - auch wenn es nur um die Erbschaftssteuer geht. Steuererhöhungen sind schließlich nicht populär - und politisch gefährlich, wenn die Bürger demnächst mit dem Stimmzettel dagegen protestieren können. Schade jedoch, dass aus Angst vor unliebsamen Debatten jetzt ein Zustand festgeschrieben wird, der verfassungsrechtlich bedenklich ist. Wer nichts tut, macht keine Fehler - heißt es. Aber gilt das auch in der Politik?

Gerhard Schröder hat mit dem Basta gegen die Erbschaftssteuer-Pläne seiner Ministerpräsidenten gezeigt, was von der SPD in den verbleibenden Monaten bis zum Bundestagswahlkampf 2002 zu erwarten ist. Die Rentenreform von Sozialminister Walter Riester wird hoffentlich an diesem Freitag den Bundesrat passieren und Gesetz werden. Beim Solidarpakt II für Ostdeutschland und beim Finanzausgleich zwischen den Bundesländern soll die Einigung in Grundzügen bis zur Sommerpause stehen. Und dann? Dann ist Pause. Strittige Themen wie mögliche Erbschaftssteuererhöhungen oder die überfällige Reform des Gesundheitswesens möchte der Kanzler erst wieder nach 2002 auf der Agenda sehen.

Der Gesetzentwurf der norddeutschen SPD-Länder für eine höhere Erbschaftssteuer hätte im Bundesrat voraussichtlich ohnehin keine Mehrheit bekommen. Das Thema war also nie so heiß, wie es schien. Und diese Debatte sollte doch noch erlaubt sein: Ob gegenüber der Erwerbsarbeit Vermögen etwas stärker belastet sein dürfen. Noch nie hat eine Generation so viel geerbt wie heute. Auch das verpflichtet.

Carsten Germis

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