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Meinung: Erkenntnis kommt vor dem Fall

Die Kritik an der geplanten Ausbildungsplatzumlage wächst auch in den Reihen der rot-grünen Koalition

Die rot-grüne Regierung ist auf dem besten Wege, ihr jüngstes Prestigeprojekt selbst zu begraben. Gegen die geplante Ausbildungsplatzumlage verschärft sich inzwischen nicht nur der Widerstand in der Wirtschaft – der war zu erwarten. Auch in den eigenen Reihen knirscht es gewaltig. Der allgemeinen Euphorie, per Gesetz die leidige Lehrstellenlücke schließen zu können, folgt langsam die Ernüchterung.

Bei Licht betrachtet stellt sich heraus, dass die Umlage auch für den Staat teuer werden kann, dass die gerechte Verteilung der Lasten eine Illusion ist und dass die Regierung, die eigentlich angetreten war, den bürokratischen Dschungel zu lichten, mit der Umlage ein neues Verwaltungsmonstrum errichtet. Um Druck auf die Wirtschaft zu machen, wurde das Gesetz Anfang des Monats durch den Bundestag getrieben. Nach der Osterpause sollen erst einmal die Experten angehört werden. Und was die sagen, ist schon jetzt vorhersehbar: Die geplante Ausbildungsplatzumlage ist ein politisches Instrument, gegen das alle sachlichen Argumente sprechen.

Das zeigt schon die Dauerdebatte um Ausnahmen und Sonderregelungen. Was wird aus den regionalen Ausbildungsverbünden, die von Kammern, Unternehmen und Verbänden getragen werden? Wem werden deren Lehrstellenangebote zugerechnet, oder bekommen die sogar Geld aus dem großen Topf? Sollte man auch Städte und Gemeinden zwingen, mehr auszubilden, oder müssen auch sie Strafe zahlen – wo doch die Kassen ihrer Kämmerer schon jetzt völlig leer sind? Und wie, bitteschön, werden alternative Bildungswege wie Berufsakademien gewertet? Werden für all diese Fälle am Ende Ausnahmen gewährt, bleibt wenig von der großen Vision, den beklagenswerten Mangel an Ausbildungsplätzen in einem großen Schwung zu beseitigen. Das Gesetz wird durchlöchert sein wie ein Schweizer Käse – und jeder wird sich redlich mühen, durch eines dieser Löcher zu schlüpfen.

Die Ausbildungsplatzumlage war von Anfang an auch intern umstritten. Nicht alle Sozialdemokraten und Grüne mochten den glühenden Verfechtern der Idee folgen, dass man die Industrie nur zu ihrem Glück zwingen müsse. Nicht, weil diese Skeptiker vielleicht gesehen hatten, dass die Umlage kaum praktikabel und wenig effektiv ist. Das zählt in der Diskussion wenig, wenn es darum geht, ein politisches Ziel zu verkaufen. Nein, die Kritiker ahnten womöglich, dass sich Lehrstellen heute nicht mehr so richtig dazu eignen, Punkte bei den Wählern zu machen. Die Versorgung aller Ausbildungswilligen mit Lehrstellen ist zwar immer noch ein hohes gesellschaftliches Gut; als politische Kampfarena mit der Wirtschaft eignet sich das Thema aber schon lange nicht mehr. Zu viele junge Manschen gehen längst einen anderen Weg in ihren Beruf. Das dämmert nicht nur dem Wahlvolk. Das haben inzwischen auch einige Protagonisten des rot-grünen Gesetzentwurfes begriffen. Rot-Grün hat sich schon sehr schwer damit getan, das Gesetz auf den Weg zu bringen. Es wieder zu kassieren, sollte schneller gehen.

Dieter Fockenbrock

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